Infame Homophobie

betr.: „Wem gehört der SS-Mann“, taz vom 28. 2. 08

Nicht die vermeintliche „Frankophobie“ der scharfen Kritik, etwa von Micha Brumlik, an Littells Roman „Die Wohlgesinnten“ ist das Problem, wie Klaus Theweleit meint. Das eigentliche Problem ist vielmehr die infame Homophobie dieses unhistorischen „historischen“ Romans (und vieler seiner Kritiker), in dem – um mit Hans Mayer zu sprechen – die Schoa, der Genozid an einer Gruppe von „Außenseitern“, dem Repräsentanten einer anderen Außenseitergruppe, der Gleichgeschlechtlichen, untergeschoben werden soll. Dies dient zur Entlastung und Schuldabwehr der Mehrheit, aus deren Reihen nun einmal auch die Mehrheit der Täter stammte.

Zur rechtsgeschichtlichen Faktenlage gehört, dass die (bisweilen) gleichgeschlechtlich aktiven Freikorpsleute, die Klaus Theweleit in seinen „Männerphantasien“ beschreibt, von der relativen Toleranz der Weimarer Republik, die sie gleichzeitig bekämpften, profitierten. Nach der massiven Verschärfung des Paragrafen 175 in der NS-Zeit, vor allem aber nach dem „Führer-Erlass“ vom 15. 11. 1941 zur Todesstrafe für „gleichgeschlechtlich veranlagte Schädlinge in SS und Polizei“ wäre einem SS-Mann, der – wie von Littell imaginiert – munter „schwere Unzucht“ mit deutschen Kameraden betrieben hätte, wohl keine allzu lange Lebenserwartung zuteil geworden.

Littells Roman knüpft an verstaubte Klischees vom „schwulen Nazi“ an, die Klaus Mann schon in den 30er-Jahren bekämpfte. Die nachvollziehbare Abwehr der meisten männlichen Leser gegenüber einem grotesken Protagonisten, der nicht nur ein passiver Homosexueller ist, sondern auch noch ein inzestuöses Verhältnis zu seiner Schwester unterhält, verdunkelt das Verstehen der NS-Gräuel, die zumeist von ganz alltäglichen Zeitgenossen begangen wurden. Dass die Alltäglichkeit und Banalität der homophoben Ressentiments, die der Roman bedient, niemandem aufzufallen scheinen, bestätigt ihre Existenz und Wirksamkeit. ROLF FÜLLMANN, Köln