Zaghafter Linksruck in Frankreich

Nach den Kommunalwahlen ist die französische Rechte unter Präsident Sarkozy nicht mehr stärkste Kraft, aber in vielen Städten ist der Ausgang des Rennens noch offen

PARIS taz ■ „Die Warnung“ titelt das Boulevardblatt Le Parisien zum Ergebnis des ersten Durchgangs der Kommunalwahlen, und begreift diese als Kampfansage an Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Die linksliberale Libération will einen „Hauch von Frühling“ für die Linke erkennen. Der konservative Figaro versucht es auf seiner Seite eins am Tag nach der Wahl ganz sachlich: „Die Linke schreitet voran, die Rechte leistet mehr Widerstand als erwartet.“

Tatsächlich ist das Ergebnis in den 36.000 französischen Gemeinden, die am Sonntag im ersten Durchgang neue BürgermeisterInnen gewählt haben, durchwachsen. Paris und Lyon bleiben links. Straßburg, Marseille und Toulouse könnten, wenn die Stichwahl am kommenden Sonntag das Ergebnis des ersten Wahlgangs bestätigt, nach links wechseln. Zugleich entschieden die WählerInnen in Bordeaux schon im ersten Durchgang mit 56 Prozent, dass sie ihren rechten Bürgermeister Alain Juppé, Expremierminister, behalten wollen. Vierzehn MinisterInnen der rechten Regierung, so Premierminister Francois Fillon, schafften es im ersten Durchgang. Drei Ministerinnen hingegen gehen auf schwierigen Positionen in die Stichwahl: Für Christine Albanel (Kultur), Christine Lagarde (Wirtschaft) und Rama Yade (Menschenrechte) geht es nächsten Sonntag auch um ihren Verbleib in der Regierung.

Landesweit kommt die Linke insgesamt auf 47 Prozent, die Rechte auf 45 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit knapp 66 Prozent niedriger als bei den vorausgegangenen Kommunalwahlen des Jahres 2001. Damals gewannen die Rechten 40 Rathäuser hinzu. Einen Teil davon können die Linken jetzt zurückholen. Von diesem Erfolg profitiert auch die vielfach totgesagte kommunistische PCF. Am Sonntag eroberte sie zwei zusätzliche Rathäuser – Dieppe und Vierzon. Andere linke Organisationen, insbesondere die Listen der trotzkistischen LCR, kamen mancherorts auf über 5 Prozent. In Toulouse wird die Trotzkistin Myriam Martin (5,4 Prozent) mit darüber entscheiden, ob das Rathaus am kommenden Sonntag sozialdemokratisch wird. Die Grünen hingegen sackten in ihrer Hochburg Paris von 12 auf nur noch 7 Prozent ab. Verluste erlitt auch die rechtsextreme Front National.

Zwischen den beiden großen Parteien belegt mancherorts die neue liberale Modem den dritten Platz. Doch auch ihr Erfolg ist durchwachsen. Ihr Chef, Expräsidentschaftskandidat Francois Bayrou, blieb in seiner Pyrenäenstadt Pau hinter der Kandidatin von PS und PCF zurück. Paradoxerweise agiert die Partei, die erst im vergangenen Jahr angetreten war, das politische Leben Frankreichs zu erneuern, jetzt vor allem taktisch. An manchen Orten bekämpft sie die PS und PCF mit Parolen aus dem Kalten Krieg. An anderen Orten unterstützt sie die beiden. Uneinig über den Umgang mit der Modem, die landesweit unter 3 Prozent liegt, ist auch die PS. Während PS-Chef François Hollande erklärt, er suche kein Bündnis, verlangt seine frühere Ehefrau und Expräsidentschaftskandidatin Ségolène Royal „überall“ Allianzen zwischen PS und Modem.

Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte die Kommunalwahlen als „nationale Debatte“ bezeichnet. Seit seinem Absturz in den Beliebtheitsumfragen auf zuletzt nur noch 37 Prozent hält er sich aus dem Wahlkampf zurück. Fast alle rechten KandidatInnen strichen den Hinweis auf ihn aus ihren Prospekten. Am Wahlabend trat nicht der Präsident, sondern der Premierminister vor die Kameras. Fillon warnte die WählerInnen davor, „lokale und nationale Fragen“ zu verwechseln, und versicherte, dass seine Regierung an den „Reformen“ und ihrem Rhythmus festhalten werde. DOROTHEA HAHN