Das kleine Elterngeld

Ersatzlohn statt Sozialleistung: Weil hier so viele Eltern wenig bis nichts verdienen, hat Bremen den bundesweit größten Anteil an Eltern, die nur den Mindestsatz von 300 Euro Elterngeld erhalten

von Eiken Bruhn

Im Land Bremen bekommen überdurchschnittlich viele Menschen ein besonders niedriges Elterngeld. Die Auswertung der vergangene Woche veröffentlichten Statistik zum ersten Elterngeld-Jahr 2007 durch das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe zeigt, dass 41,5 Prozent der 4.663 EmpfängerInnen den Mindestbetrag von 300 Euro monatlich bekommen. In keinem anderen Bundesland ist dieser Anteil so hoch.

Zum Vergleich: Der Bundesdurchschnitt liegt bei 32 Prozent, in Hamburg sind es 31 und in Berlin 37,9 Prozent. Noch schlechter als die Hauptstadt, aber immer noch besser als Bremen, steht nur noch Sachsen-Anhalt mit 40,9 Prozent da. Betrachtet man nur die Frauen – neun von zehn Bremer Elterngeldempfängern sind weiblich – dann sieht es noch düsterer aus: 42,5 Prozent der Frauen bekommen lediglich die 300 Euro Mindestbetrag, einem Viertel wird 300 bis 500 Euro ausgezahlt.

Verwunderlich sind diese Zahlen nicht, schließlich leben im Land Bremen überdurchschnittlich viele arme Menschen, vor allem in Bremerhaven. Ihr Einkommen, so sie überhaupt eins haben, ist so niedrig, dass die Rechnung – der Staat übernimmt ein Jahr lang 67 Prozent des zuletzt gezahlten Nettogehalts – nicht aufgeht.

Sie bekommen deshalb den Mindestbetrag von 300 Euro. In Bremerhaven trifft dieses auf 70 Prozent der 811 Elterngeld-BezieherInnen zu. Während das Elterngeld also für diejenigen, die sich vor der Geburt des Kindes durch ihre Arbeit ernähren konnten, eine Verbesserung zur Situation vor dem 1. 1.  2007 ist, bringt sie den anderen einen Nachteil.

Das Erziehungsgeld von 300 Euro wurde davor nämlich zwei Jahre gezahlt, anstatt wie jetzt nur noch bis zu 14 Monate. „Viele stehen dann hier und fragen ratlos, was mach’ ich denn dann im zweiten Jahr“, sagt eine Mitarbeiterin der Bremer Elterngeldstelle.

Eine Rückkehr zum alten Modell fordert dennoch niemand in Bremen. „Es hat einen Paradigmenwechsel gegeben“, sagt etwa die Leiterin der Bremerhavener Gleichstellungszentrale Anne Röhm. „Früher war es eine Sozialleistung, jetzt ist es ein Lohnersatz.“

Für Bremerhaven fordert sie deshalb eine stärkere Förderung der arbeitslosen Frauen – über die Hälfte der 4.000 Alleinerziehenden in der Seestadt leben derzeit von ALG II, viele sind Röhm zufolge ungelernt. „Für die brauchen wir Qualifizierungs-Programme, damit sie eine Chance auf einen sozialversicherungspflichtigen Job haben“, sagt Röhm. Derzeit bleibe für Frauen auf dem Arbeitsmarkt „wenig übrig“, beklagt Röhm, Frauen müssten sich oft mit Minijobs zufrieden geben. „Vom Aufschwung merken die nicht viel.“ Auch dies belege die Auswertung. Zusätzlich erschwert werde die Berufstätigkeit durch die schlechte Betreuungssituation in Bremerhaven: Nur für sechs Prozent der Kleinkinder stünden Krippenplätze zur Verfügung, so Röhm. Arbeitslose Mütter von Kindern unter drei Jahren würden deshalb von den Behörden „in Ruhe gelassen“, anstatt sich für sie um einen Job zu bemühen. Und solange sich an diesen Voraussetzungen nichts ändere, helfe einer Reihe von BremerhavenerInnen auch das Elterngeld herzlich wenig.