Gerechtigkeitsfreie Betonpolitik

betr.: „Weggegangen, Platz vergangen“ von Warnfried Dettling, taz vom 10. 3. 08

In der Tat waren die in Eigenwahrnehmung sich pragmatisch gebärdenden Atom-Kanzler Schmidt sowie Agenda-Kanzler Schröder die eigentlichen Geburtshelfer für diese neuen parteipolitischen Schöpfungen, deren Wachstum durch die gerechtigkeitsfreie Betonpolitik der beiden Obengenannten geradezu zwangsweise gefördert wurde. Soweit Dettling, so weit gut.

Doch bei der Konkretisierung des Begriffs „Volkspartei“ sowie der Inhalte der SPD auf diesem empfohlenen Weg dahin flüchtet sich der Analyst neben Wortblasen (was ist denn nun das „Ganze“?) ins Psychologisieren und Spekulieren über Mitgliederbefindlichkeiten dieser Partei sowie in die Verunglimpfung der Bezieher schwächerer Einkommen, anstatt die Bearbeitung konkreter Handlungsfelder aufzuzeigen.

Denn Volk ist nicht nur die numerische Summe gezählter Köpfe, sondern die empfundene Einheit von Herkunft, Wert und Tätigkeit, welche gegenwärtig geradezu unerträglich karikiert wird: Bekommen heute wenige immer mehr (siehe taz vom 10. 3. 08: „Noch mehr Geld für Top-Manager“) und viele immer weniger (siehe taz vom 8. 3. 08: „Immer mehr in der Schuldenfalle“), so wird eine „Volkspartei“, die darauf keine Antworten weiß oder zumindest nicht glaubwürdig darauf zu reagieren versteht, bald ohne Volk sein. Denn die, die mehr haben, brauchen keine Partei mehr, um ihre Interessen durchzusetzen, und die, die immer weniger haben, brauchen auch keine Partei mehr.

Herr Dettling wäre gut beraten, seine Reflexionen dahingehend zu erweitern, denn gute Politikberatung erschöpft sich nicht so sehr in kompetenter Vergangenheitsbewältigung, sondern beruht in erster Linie auf plausiblen implementierbaren Handlungsempfehlungen. EGBERT RADZUWEIT, Duisburg