Ein Werkzeug des Bösen

betr.: „Schlachthof kontra Christival“ und „Bischöfe vertrauen“, taz bremen 11. 3. und 8. 3. 2008

Natürlich wird keiner der Christivalbetreiber ernsthaft seinem schwulen Mitbürger ans Leder wollen. Sie sind bestimmt auch im Alltag zum größten Teil liebenswerte, umgängliche, freundliche Menschen. Und doch liegt etwas in diesem religiösen Hochmut, das einem zutiefst Angst machen kann.

Es geht um nichts weniger als um das im Christentum, in unserer Religion vertretene Menschenbild, um die Frage, ob ich wirklich bereit bin, jeden und jede in ihrem Sein zu akzeptieren, oder ob ich mich in meiner Art zu lieben im Kern für einen moralisch perfekteren Menschen halte, als meine lesbische Nachbarin oder meinen schwulen Kollegen.

Wer das „Schwulsein“ als Frage einer falschen Entscheidung, als Folge kindlicher Traumata oder als bemitleidenswerten Zustand abwertet, der spricht zugleich dem schwulen Menschenbruder, der lesbischen Menschenschwester den tieferen Sinn ihres von Gott gewollten Seins ab. Wer darf sich anmaßen Gottes Geschöpfe in ihrem Wesenskern in Frage zu stellen? Wenn wir Christen es nicht schaffen unser Nichtverstehen von Gottes Schöpfung auch in diesem Punkt in Demut zu akzeptieren, dann werden wir ein Werkzeug des Bösen. Vielleicht haben wir in all den Jahrtausenden ja nur noch nicht die richtigen Sozialstrukturen geschaffen, die der Vielfalt der sich entwickelnden Schöpfung gerecht werden.

Schwul ist ein Mensch, er sucht es sich nicht aus, er erlebt es als wesenhaften Teil seiner Persönlichkeit, nicht als ein Kleid, das man wechseln kann. Wenn ich dem schwulen Nachbarn das Recht abspreche, seine Liebe zu leben, dann muss auch ich mich fragen lassen, ob ich ein Recht auf meine eigene Liebe habe. Wir sind entweder alle, so wie wir sind, geliebte Kinder Gottes, oder aber alle Verdammte, für die die Hölle unserer eigenen Ignoranz schon ein weiteres Auschwitz bereithält.

Die Würde des Menschen ist antastbar in einem Land, in dem Menschen wegen ihrer sexuellen Disposition ausgegrenzt werden. In unserem Land, in dem Menschen mit dem rosa Winkel gebrandmarkt und ermordet wurden, sollte sich eine staatliche Unterstützung eines solchen Festes von selber verbieten.

In Dachau und in anderen KZ wurden gezielt Bordelle eingerichtet, um Homosexualität zu verringern – es zeugt wirklich nicht grade von einem ausgeprägten politischen Bewusstsein, wenn die Veränderung der sexuellen Disposition anderer Menschen in einer Demokratie heutzutage wieder gesellschaftsfähig wird. Grade die Evangelische Kirche sollte da etwas sensibler sein.

Wir sind empört über Völker, die traditionell die Geburt von Mädchen für ein Unglück halten, das es zu verhindern gilt. Aber sind wir wirklich besser? ELISABETH LAHUSEN, BREMEN