Lach nicht über Bach

Herbert Feuerstein gab im Radialsystem eine Einführung in die Musik Johann Sebastian Bachs. Trotz gelegentlicher humoristischer Einlagen überließ der Satiriker der Musik des Barockkomponisten das erste und das letzte Wort

„Das Wesentliche ist die Musik“, so das Motto des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Man könnte meinen, Herbert Feuerstein habe diesen Satz zum Prinzip seiner Reihe „Feuerstein führt Klassik ein“ erklärt. Als der Satiriker am Freitag im Radialsystem gemeinsam mit dem transparent wie präzise spielenden RSB unter der Leistung von Cornelius Meister den Komponisten Johann Sebastian Bach vorstellte, gab es zwar auch einiges zu lachen, vor allem aber viel zu lernen.

„Wach mit Bach“ war der Titel des Programms, in dem Feuerstein der Musik des Barockkomponisten das erste und letzte Wort gab. In seinen Moderationen achtete der leise Zyniker darauf, nicht mehr zu sagen als nötig. Feuerstein, der für einige Zeit am Wiener Mozarteum studiert hat, hätte in seinem weißen Sakko mit weißer Fliege zum schwarzen Hemd auch den großen Entertainer geben können. Stattdessen trat er als bescheidener wie leidenschaftlicher Musikkenner in Erscheinung. Der Satiriker Feuerstein musste dahinter zurückstehen.

Die Frage: „Does humour belong in music?“ ist älter als Frank Zappa, der sie wiederholt stellte, und immer noch nicht erschöpfend beantwortet. Feuerstein scheint in diesem Punkt eine klare Position zu beziehen: Wenn es der Vermittlung dient, darf über Musik und Musiker gelacht werden, Albernheiten außer der Reihe sind gelegentlich auch erlaubt. So gab er nach dem Auftakt des RSB mit dem ersten Satz aus dem Brandenburgischen Konzert Nr. 3 dem Publikum bekannt, dass ihm eigentlich eine peinlichere Überschrift für seinen Bach-Abend vorgeschwebt habe, etwa „Mit Bach und Krach“ oder „Bachblüten“: „Aber dann habe ich mir vorgestellt, lauter Vegetarier säßen hier, und ich müsste nette Dinge über Esoterik sagen.“

Stattdessen sagte Feuerstein nette und weniger nette Dinge über Leben und Musik Johann Sebastian Bachs, wobei sein Niveau ein gewisses Interesse an der Musik voraussetzte. So erläuterte er nicht nur das komplizierte Thema des „Musikalischen Opfers“, eines Spätwerks Bachs, sondern wollte anschließend auch noch vom Publikum wissen, wie viele verschiedene Töne darin vorkommen. Die sechsstimmige „Fuga“ aus dieser musikalischen Huldigung an Friedrich II. erklang anschließend in der Fassung von Anton Webern, der das Thema nicht nur zwischen den einzelnen Orchesterstimmen wandern lässt, sondern in seine Bestandteile zerlegt und auf verschiedene Instrumente verteilt – so dass es aufgebrochen werde „wie in der Atomphysik“.

In seinem Hinweis auf die Zwölftonmusik Anton Weberns erläuterte Feuerstein die im zwanzigsten Jahrhundert entwickelte Kompositionstechnik mit dem Vergleich, sie entspreche beim Klavier der „Aufhebung der rassischen Trennung von schwarzen und weißen Tasten“. Ein wenig kokett wirkte es, als er seine Ausführungen mit dem Hinweis rechtfertigte, das sei „alles so furchtbar spannend, dass ich es nicht für mich behalten kann“. Andernfalls würde er daran ersticken.

Das Bach-Porträt rundeten Feuerstein und das RSB mit einer „Berliner Sinfonie“ des Bach-Sohns Carl Philipp Emanuel Bach und einer „Bachiana Brasileira“ von Heitor Villa-Lobos, dem „einzigen, aber auch bedeutendsten Komponisten Brasiliens“, ab. Ein wenig irritierend gerieten Feuersteins Abschiedsworte: Als er sich beim Publikum für die „freundliche Aufmerksamkeit“ bedanken wollte, versprach er sich und sagte „fröhliche“. Das könne man für den Rundfunk so nicht stehen lassen, erklärte Feuerstein und sprach den Satz noch einmal. Eine professionelle Korrektheit auf Kosten des spontanen Witzes? In diesem Fall hätte der Musikvermittler am Ende klar über den Humoristen Feuerstein triumphiert. TIM CASPAR BOEHME

Die nächste Ausgabe von „Feuerstein führt Klassik ein“ gibt es am 30. Mai unter dem Titel „Ein Haydn-Spaß“