Fußballer und Schauspieler

Tennis Borussia und die Schaubühne arbeiten fortan zusammen. So will man sich neue Zuschauerkreise erschließen. Zudem haben die Charlottenburger Institutionen „gemeinsame Werte“ entdeckt – etwa beim Kampf gegen Rassismus

Bei Tennis Borussia Berlin hat man die Bekanntgabe der ungewöhnlichen Liaison bewusst hinausgezögert. Bereits Ende November unterzeichneten Vertreter des Vereins und der Schaubühne einen Kooperationsvertrag. Doch erst in der vergangenen Woche informierte der Verein die Öffentlichkeit über den in Berlin einmaligen Pakt zwischen Fußball und Theater. „Vor Weihnachten wäre das untergegangen. Jetzt zu Beginn der Rückrunde wird es viel mehr wahrgenommen“, erklärte TeBe-Marketingchef Stefan Wöpke.

Die Theatermacher vom Lehniner Platz richteten sich ganz nach den Wünschen des Amateurclubs. Auf solcherlei Aufmerksamkeit sind sie schließlich nicht so sehr angewiesen. Die Schaubühne zählt zu den renommiertesten Bühnen Deutschlands. In der vergangenen Spielzeit gastierte das Ensemble mehr als 100 Mal im Ausland. Um es in der Fußballersprache zu formulieren: Die Schaubühne spielt in der Champions League, Tennis Borussia in der Oberliga.

Durch den Kooperationsvertrag gelten gegenseitige Rabatte auf Eintrittskarten von 20 Prozent. Davon profitieren die Mitglieder und Angestellten von TeBe und Schaubühne. Die beiden Partner wollten sich laut einer Pressemitteilung der Kicker künftig helfen, neue Zuschauerkreise zu erschließen und den jeweiligen Bekanntheitsgrad des anderen zu erhöhen. Zudem wird betont: In der „Hochkultur“ sei schon seit Jahren ein reges Interesse am Fußball festzustellen. Die Verknüpfung von Fußball und Theater liegt also auf der Hand.

„Das ist nicht nur eine plakative Geschichte“, versichert Wöpke. „Die Schaubühne und uns verbinden Basiswerte.“ In der Vergangenheit hätte sich der Verein gesellschaftspolitisch klar positioniert. Man habe sich beispielsweise aktiv gegen Homophobie und Ausländerfeindlichkeit engagiert.

Der Marketing- und Öffentlichkeitsarbeitsleiter der Schaubühne, Andreas Seyffert, bestätigt, dass von Beginn an eine gegenseitige Sympathie spürbar gewesen sei. „Uns gefällt der kreative Geist des Vereins. Es gibt da eine gewisse anarchische Energie.“

Bei so viel Geistesverwandtschaft ist es schon kurios, dass erst ein Mittelstandstreffen für bezirkliche Wirtschaftsförderung im Hause der Schaubühne die beiden Partner zusammenbrachte. Seyffert gesteht: „Ich wusste zuvor gar nicht, dass Tennis Borussia bei uns in Charlottenburg um die Ecke spielt.“ Und Wöpke räumt ein: „Vor meinem Aufeinandertreffen mit Seyffert war ich etliche Jahre nicht mehr in der Schaubühne gewesen.“

Auf der Wirtschaftskontaktbörse fädelten die beiden Marketingleute die Kooperation ein. Ein Zufall, wie Seyffert beteuert. Keinesfalls möchte er das Ganze aber als Zweckbündnis verstanden wissen. Er sagt: „Es geht in erster Linie um den Faktor Spaß.“ Die Leidenschaft für das runde Leder sei unter den Angestellten der Schaubühne seit je groß. Und gerade die besonders guten Schauspieler wären meist auch sehr gute Fußballer. Der materielle Nutzwert des Projekts ist demnach sekundär. Seyffert zweifelt gar: „Ich weiß nicht, ob uns das einen Zuschauer mehr bringt.“

Er macht auf andere eventuelle positive Effekte aufmerksam. Die Kooperation sei eine Möglichkeit, aus der akademischen Blase des Theaters herauszukommen. TeBe legt großen Wert auf Nachwuchsarbeit und hat viele Jugendliche aus sozial schwachen Familien in seinen Reihen. Seyffert kann sich vorstellen, für sie Workshops mit der Theaterpädagogin des Hauses anzubieten. Die Schaubühne, sagt er, müsse nach außen gehen.

TeBe hat sich bereit erklärt, den 1. FC Energie Schaubühne für die deutschen Theatermeisterschaften im Mai fit zu machen. Ein Angebot, das erneut die spielerische Note der Kooperation unterstreicht. In diesem Sinne hat auch die Marketingabteilung von TeBe mit einem abgewandelten William-Shakespeare-Zitat ihre Theateraffinität unter Beweis gestellt: „TeBe or not to be“. Im Unterschied zum Original ist das für die Fußballer allerdings keine Frage. JOHANNES KOPP