Air France-KLM übernimmt Pleiteflieger Alitalia

Der Alitalia-Verwaltungsrat billigt das Angebot der größten europäischen Fluglinie. Die stellt einige Bedingungen

ROM taz ■ Es war eine Marathon-Sitzung von 15 Stunden. Doch dann stimmte der Alitalia-Verwaltungsrat dem Angebot zu: Die Übernahme der Fluglinie Alitalia durch Air France-KLM ist damit so gut wie perfekt.

Dabei musste die italienische Seite noch einmal deutlich verschlechterte Konditionen gegenüber dem ursprünglichen Gebot hinnehmen. Die Alitalia-Aktien sollen im Verhältnis 160 gegen 1 Air-France-KLM-Aktie übernommen werden; ursprünglich hatte die größte europäische Fluglinie noch den Schlüssel 70 zu 1 für den italienischen Pleiteflieger offeriert. Das jetzige Angebot entspricht eine Bewertung von 10 Cent für die Alitalia-Aktie, die derzeit an der Börse mit gut 50 Cent notiert.

Doch die italienische Seite ist einfach nicht mehr in der Position, Forderungen zu stellen. Jeden Tag fliegt Alitalia 1 Million Euro Verlust ein; der Schuldenberg beläuft sich auf etwa 1,3 Milliarden Euro, obwohl der italienische Staat in den letzten 15 Jahren insgesamt über 4 Milliarden Euro in der Alitalia versenkt hat. In der Kasse sind nur noch etwa 280 Millionen; das reicht gerade noch für ein paar Wochen. Vor diesem Hintergrund betrieb die scheidende Regierung Romano Prodis schon seit Herbst 2006 den Verkauf ihres Anteils von 49,9 Prozent. Aus eigener Kraft nämlich sah sich der Staat zu einer langfristigen Sanierung nicht in der Lage.

Hintergrund der tiefen Alitalia-Krise ist eine völlig verfehlte Firmenpolitik, in der politische Einflüsse immer eine größere Rolle spielten als unternehmerische Erwägungen. Viel zu lange ruhte sich Alitalia allein auf dem satten Geschäft der Route Mailand–Rom aus – dort verkehren die Flugzeuge im Takt einer Straßenbahn. Hinzu kam dann zu Anfang des Jahrzehnts eine von vielen Experten als schwerer Fehler bewertete strategische Entscheidung: Alitalia beschloss, den neuen Großflughafen Malpensa nördlich von Mailand zu seinem Hub für den gesamten Interkontinentalverkehr zu machen – auf Kosten des römischen Flughafens Fiumicino. Doch die Passagiere schnitten Malpensa, da sie aus Norditalien lieber nach Paris oder Zürich fliegen, um dort umzusteigen.

So will denn auch Air France erst einmal den Hub Malpensa abschaffen. Eine Kapitalspritze von 1 Milliarde Euro versprechen die Franzosen. Auf der anderen Seite aber steht die Rückverlagerung des Alitalia-Drehkreuzes nach Rom, steht der Ausstieg aus dem Cargo-Geschäft, steht die schnelle Stilllegung von 42 Flugzeugen, steht die Streichung von mindestens 1.700 der 10.000 Stellen bei der Fluglinie.

Deshalb hat Air France den definitiven Abschluss des Deals an Bedingungen geknüpft, vorneweg an das Ja nicht nur der Regierung, sondern auch der Gewerkschaften, die am Dienstag mit dem Kaufinteressenten zusammentreffen werden. Außerdem will Air France die Garantie, dass die Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe des Flughafens Malpensa nicht der übernommenen Alitalia zu Lasten fallen werden. MICHAEL BRAUN