Ein Kind bleibt auf der Strecke

Beim gestrigen Prozess gegen die Mutter der heute fünfjährigen Emily aus Ahlhorn wurde deren Martyrium noch einmal aufgerollt. Das Mädchen war monatelang vom damaligen Lebensgefährten des Mutter gequält und vergewaltigt worden.

Weil Wiederholungsgefahr nicht drohe, plädierte der Staatsanwalt auf zwei Jahre auf Bewährung. Das Gericht folgte diesem Antrag

Aus Wildeshausen FELIX ZIMMERMANN

Das Mädchen wird „Emily“ genannt, das war die kluge Entscheidung der Anwältin, die für sie zuständig ist. „Emily“ ist heute fünf Jahre alt, zeigt Merkmale eines schweren Traumas und wird bleibende körperliche Schäden behalten. Auch die seelischen werden sich wohl kaum therapieren lassen. Das Mädchen ist der Öffentlichkeit entzogen, und man kann nur wünschen, dass das so lange so bleiben möge, wie es dieses Schutzes bedarf.

Gestern wurde die Mutter des Mädchens vor dem Amtsgericht Wildeshausen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die heute 26-Jährige habe tatenlos zugesehen, wie ihr damaliger Lebensgefährte ihrer dreijährigen Tochter von September bis Dezember 2006 wiederholt Gewalt antat. Er biss sie, er schlug sie, er missbrauchte sie sexuell und rauchte immer wieder Heroin in der Gegenwart des Kindes, Spuren davon wurden in dessen Haar nachgewiesen.

Das Martyrium geschah in der gemeinsamen Wohnung im südoldenburgischen Ahlhorn und auch wenn die drei unterwegs waren. Der Lebensgefährte von „Emilys“ Mutter arbeitete als Lkw-Fahrer. Er nahm die beiden mit auf seine Touren und tat dem Kind auch in der engen Fahrerkabine Gewalt an.

Wahrscheinlich nur einmal in ihrem kurzen, bis dahin dreijährigen Leben hatte „Emily“ Glück gehabt. Das war, als ihre Mutter und deren Lebensgefährte sie im Dezember 2006 mitnahmen in einen kleinen Gemüseladen. Dem Händler dort war das Kind aufgefallen, völlig verängstigt und mit einer Schwellung am Ohr. Als der Mann den vermeintlichen Vater des Kindes danach fragte, bekam er keine klare Antwort. Er notierte sich das Autokennzeichen des jungen Paares, benachrichtigte die Polizei. Als die den Wagen anhielt, war es höchste Zeit. Unsagbare Qualen muss das Mädchen erlitten haben, der kleine Körper war übersät von Wunden und „Emily“ war nicht mehr in der Lage, sich zu artikulieren. Sie war verstummt.

Der 31-Jährige LKW-Fahrer war im Sommer 2007 vom Landgericht Oldenburg zu zehn Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Bei der Verhandlung gestern sprach der psychologische Gutachter mehrfach davon, dass das Kind auch heute, gut ein Jahr nach der Tat, nicht reagiere, wenn er es nach Mutter und Vater frage. Dies sei eine „Strategie, um einer Re-Traumatisierung zu entgehen“. Als positives Anzeichen wertete er, dass das Mädchen in der Spieltherapie die erlittenen Misshandlungen nachspiele. Es nehme einen Spielzeug-Lkw, setze einen Mann und eine Frau hinein und sage dann „Aua, aua, aua“.

In der Vernehmung, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, räumte die heute 26-jährige Mutter die Vorwürfe weitgehend ein. Als Grund für ihr Schweigen brachte sie ihre Angst vor dem Lebensgefährten vor. Sie habe es nicht gewagt, Hilfe zu suchen. Staatsanwalt Stefan Schmidt bezweifelte diese Begründung. Mehrfach habe sie dazu Gelegenheit gehabt, etwa gegenüber ihrer Familie in Delmenhorst, der sie sich auch anvertraut hatte, als sie von ihrem ersten Ehemann geschlagen und vergewaltigt worden war. Staatsanwalt Schmidt hielt ihr vor, das Schicksal des Kindes sei ihr „ein Stück weit gleichgültig gewesen“. Sie habe sich aus ihrer Familie befreien wollen, der ihr Lebensgefährte nicht gepasst habe. Das Kind blieb dabei auf der Strecke.

Weil Wiederholungsgefahr nicht drohe – „nie wieder wird die Angeklagte ein Kind allein anvertraut bekommen werden“ – plädierte der Staatsanwalt auf zwei Jahre auf Bewährung. Das Gericht folgte diesem Antrag.