Wenn das Brot in das Fondue fällt …

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Im Ars Vini in Prenzlauer Berg kann man sich auf den EM-Sommer in der Schweiz vorbereiten

Berliner packen im Sommer gerne ihr Grillset zusammen. Bei einigen ist das nur ein Einmal-Grill, für andere gehört mindestens eine Bierbank und allerlei Gedöns in Tupperdosen dazu. Damit verschwinden sie dann in den Tiergarten – bis ihnen das Fleisch ausgeht.

Diesen Frühsommer aber wird alles anders. Im Mittelpunkt steht die Fußball-EM in der Schweiz und in Österreich.Und weil die Menschen sich gerne thematisch auf so etwas vorbereiten, kann man davon ausgehen, dass es Ende Mai einen Run auf den Fonduetopf, genannt Caquelon, geben wird. Aber braucht man ihn wirklich? Die längste Zeit des Jahres rottet der Topf selbst bei den Schweizern vor sich hin. Vielleicht kann man sich zunächst testhalber ins Ars Vini setzen, das ist ein Fonduelokal in Prenzlauer Berg.

Das Restaurant sollte niemand betreten, der kleptomanische Wesenszüge in sich spürt. Der sehr freundliche Kellner ist allein für das Lokal verantwortlich und überall stehen volle Weinflaschen zum Verkauf herum. So diebisch dreinblickende Charaktere wie wir werden direkt neben das Regal „Übersee“ gesetzt. Das Dunkelbraun der Wände kontrastiert gut mit dem hellen Holz der Weinkisten. Man sitzt an polierten Tischen, beim Schein der Kerzen. Gemütlich ist es, aber auch etwas schick.

Eine Kollegin aus der Schweiz, eigens mitgekommen, um sich die deutsche Interpretation ihres Nationalgerichts anzusehen, findet das Ars Vini fast zu schick. Fondue sei nämlich WG- oder Familiensache, wobei die Mutter das Fondue auf dem Herd bereitet, der Vater den Rechaud anzündet, und die Kinder unablässlich eine Acht in den geschmolzenen Käse malen müssen.

Bestürzt ist die Kollegin auch darüber, dass das gesellige Gemeinschaftserlebnis „Fondue“ im Ars Vini wenig zählt. Man braucht sich nicht auf ein Gericht zu einigen, jeder kriegt sein eigenes Töpfchen. Na ja.

Spätestens aber, als die Fondues auf dem Tisch stehen, sind alle zufrieden. Dem Zwiebel-Käse-Fondue fehlt ein wenig der Stärkezusatz, der den Käse richtig sämig macht. So verliert sich das Brot viel zu oft, und man kann froh sein, keine Lokalrunde ausgeben oder sonstig Strafarbeiten leisten zu müssen, wie es die Tradition verlangt. Dennoch schmeckt es genauso hervorragend wie das Fondue Chinoise, bei dem Fischstücke in Gemüsebrühe gegart werden.

Wer im Sommer gerne immer noch Grillen möchte, kann das natürlich gerne tun, und wer sich nun ein völlig überflüssiges Caquelon zulegen möchte, bitte sehr. Allen anderen sei das Ars Vini gerne empfohlen.

ARS VINI, Templiner Str. 7, 10119 Berlin, Tel. (0 30) 30 60 94 86, Mo.–Fr. ab 11 Uhr, Sa./So. ab 10 Uhr, U Senefelder Platz, Käsefondue ab 12,90 €, Wasser 0,25 l 0,75 €