„Den Sport nicht politisch missbrauchen“

Der neue Sportbeauftragte der UN, Willi Lemke, über die politische Bedeutung des Sportes, einen neuerlichen Olympia-Boykott, Heimarbeit und die Verständigung mit seinem neuen Chef, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon

WILLI LEMKE, 61, ehemals Werder-Manager, zuletzt SPD-Innensenator in Bremen, ist Sportbeauftragter der Vereinten Nationen.

taz: Herr Lemke, was haben Sie, was Pelé nicht hat?

Willi Lemke: Das kann ich nicht beurteilen. Ich denke, dass sein Vermögen jedenfalls größer ist als meins.

Aber er wollte es nicht dafür ausgeben, um Berater von Generalsekretär Ban Ki-moon zu werden.

Das kann sein.

Kennen Sie Ihren neuen Chef schon?

Ich habe ihn in einer Videokonferenz in der vorletzten Woche kennen gelernt. Persönlich werde ich ihn erst im April treffen.

Und sie konnten sich auch verständigen?

Wir konnten uns perfekt auf Englisch unterhalten. Aber ich will meine Sprachkenntnisse dennoch deutlich verbessern.

Ziehen Sie jetzt um?

Nein, ich werde fünf, sechs mal im Jahr ein paar Tage nach New York reisen, ich werde jeden Monat mindestens zwei, drei Tage im Verbindungsbüro in Genf sein, aber die Hälfte der Zeit kann ich zu Hause in Bremen sein.

Sie haben gesagt, sie lehnen eine Re-Politisierung des Sportes ab – wie passt das zu einem Amt „im Dienste des Friedens“?

Es gibt keinen Lebensbereich, der unpolitisch ist. Aber man darf den Sport nicht für seine eigenen politischen Zwecke missbrauchen. Ich bin auch dafür, keinen Druck auf die Sportverbände auszuüben, irgendetwas zu boykottieren. So wie das 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau passiert ist – das fand ich ganz schlecht.

Ist das ein Votum gegen einen neuen Olympia-Boykott?

Ich bin zunächst einmal sowohl gegen einen Boykott – will aber nicht sagen, ein Boykott kommt keinesfalls in Frage. Wir müssen erst einmal prüfen, wie die verschiedenen Handlungsoptionen aussehen. Vorstellbar ist ja beispielsweise auch, die Eröffnungsveranstaltung zu boykottieren, um ein politisches Zeichen zu setzen. Man muss abwägen zwischen den Interessen der Sportler, den Interessen des tibetischen Volkes, aber auch jenen der ganzen Welt. Die Chance, die darin liegt, dass 25.000 Journalisten nach China reisen und dort die Möglichkeit haben, Land und Leute zu beobachten und Gespräche zu führen, ist sehr groß. Die werden auch sehr viele kritische Berichte machen. Die Wahrheit zu unterdrücken, dürfte für die chinesische Führung sehr schwierig werden.

In Bremen sind sie sportpolitisch vor allem dadurch aufgefallen, dass der Sportstudiengang geschlossen wurde.

Das dürfen sie mir nicht anlasten. Alles andere als dem Votum der demokratischen Uni-Gremien zu folgen, wäre falsch gewesen. INTERVIEW: JAN ZIER