Der Sieger heißt Bayern

Eine Studie der Bremer Finanzsenatorin lässt die fünf Nordländer gegen Bayern antreten – mit niederschmetterndem Ergebnis: Bei den Einwohnern und der Fläche liegen die Nordländer mit Bayern gleichauf, doch hängen sie finanziell am Tropf

Die Föderalismuskommission soll sich auf die „wesentlichen Themen beschränken und aufhören, alles, was einzelne schon immer am Föderalismus gestört hat, verhandeln zu wollen“, sagte jüngst der rheinland-pfälzische Finanzministers Ingolf Deubel (SPD). Das wesentliche Thema ist die Schuldenbremse. Neuverschuldung, so will es die CDU, soll ganz untersagt werden, solange die Gesamtschulden der Republik so hoch sind. Hilfe soll es für die drei Not leidenden Länder Schleswig-Holstein, Bremen, Saarland geben, wenn sie nachweisen können, dass sie aus eigener Kraft keinen ausgeglichenen Haushalt zustande bringen. Niemand mag derzeit über Wettbewerb im Föderalismus oder über die Länderneugliederung reden. Gleichzeitig bemühen sich die Finanzverwaltungen, ihre Ausgaben vergleichbar zu machen, um ein „Benchmarking“, also eine vergleichende Analyse mit einem festgelegten Referenzwert, zwischen den Ländern zu ermöglichen. KAWE

VON KLAUS WOLSCHNER

Warum kann der Süden, was der Norden nicht kann? Sind die südlichen Bundesländer wirklich sparsamer? Und: Wo geht das Geld im Norden eigentlich hin? Diese Fragen beleuchtet ein brisantes Zahlenwerk, das die Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) hat zusammenstellen lassen. Linnert hat die Kennziffern der fünf norddeutschen Bundesländer zusammengestellt und mit denen von Bayern verglichen.

Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen haben zusammen 14,9 Millionen Einwohner, Bayern 12,3 Millionen. Auch die Besiedlungsdichte ist vergleichbar: Auf 170 Bewohner in dem fiktiven Nordstaat-Gebilde kommt ein Quadratkilometer Fläche, in Bayern müssen sich 174 Bewohner einen Kilometer teilen.

Um den Vergleich nachvollziehbarer zu machen, sind alle Ausgaben auf die Köpfe der Bevölkerung umgerechnet. Die fünf Nordstaaten geben „pro Kopf“ ihrer Bevölkerung 4.341 Euro im Jahr aus, Bayern 4.043 Euro, rund 300 Euro weniger. Der Unterschied, das ist die erste Erkenntnis des Vergleichs, lässt sich fast vollständig durch die Zinsbelastungen erklären. Sie liegen in Bayern bei 144 Euro pro Kopf, im Norden bei 392 Euro.

Allerdings verteilen sich die Ausgaben anders. Die „Norddeutschen“ geben deutlich mehr aus für „soziale Sicherung“ (236 Euro pro Einwohner) und für „politische Führung und zentrale Verwaltung“ (46 Euro), Bayern zahlt dafür mehr Investitionshilfen (163 Euro) und hat mehr Personalausgaben (133 Euro pro Einwohner). In den meisten anderen Bereichen liegen die Ausgabenblöcke dicht beieinander.

Interessant ist natürlich auch ein Blick auf die Einnahmen: Bayern hatte 2006 pro Kopf Staatseinnahmen von 4.360 Euro, davon musste es 167 Euro pro Kopf in den Länderfinanzausgleich abgeben. Im Nordstaat ist Hamburg Zahlerland im Finanzausgleich, alle anderen empfangen. Als Ost-Bundesland bekommt Mecklenburg-Vorpommern allein 1,4 Milliarden Euro Sonder-Ergänzungszuweisung vom Bund; Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bekommen zusammen 508 Millionen Euro Bundesergänzungszuweisung vom Bund, macht im Durchschnitt 131 Euro pro Kopf im fiktiven Nordstaat.

Mit diesen „Transfer-Zahlungen“, zu denen die besondere Stadtstaaten-Einwohnerwertung für Hamburg und Bremen hinzugehört, kommen die Nordländer auf 4.231 Euro Staatseinnahmen pro Kopf.

Ohne diese Transfer-Zahlungen wären es nur knapp über 4.000 Euro. Das bedeutet: Bayern ist bei den Staatseinnahmen fast zehn Prozent „reicher“ als der Norden. Und wenn in einem Nordstaat die Metropolen Hamburg und Bremen aus dem kommunalen Finanzausgleich finanziert werden müssten und nicht – wie derzeit über die „Einwohnerveredelung“ von 135 Prozent – aus dem gesamtstaatlichen Topf den großstädtischen Mehraufwand erstattet bekämen, dann wäre der Unterschied noch größer.

Wie groß der Großstadt-bedingte Mehraufwand ist, geht aus dem Vergleich zwischen Stadtstaaten und Flächenländern hervor. So haben die Stadtstaaten in fast allen Ausgabenbereichen deutlich höhere Kosten als ländlich strukturierte Flächenstaaten. Die Staatsausgaben pro Kopf liegen in den Flächenländern bei 4.200 Euro, in Stadtstaaten bei 6.100 Euro. Rund 400 Euro mehr pro Kopf geben die Stadtstaaten aus für Zinsen, 550 Euro mehr für soziale Sicherung, 170 Euro mehr für „Sicherheit und Ordnung“, 180 Euro mehr für Hochschulen, 100 Euro mehr für Kitas, 50 Euro teurer pro Nase ist die „politische Führung“.

Das wiederum bedeutet: Dass die Mehrkosten für Hamburg und Bremen nicht aus dem kommunalen Finanzausgleich eines Nordstaates aufgebracht werden müssen, sondern aus dem Steueraufkommen aller Länder, „entlastet“ die norddeutschen Flächenländer, vor allem Niedersachsen. In einem „Nordstaat“ würde sofort ein erbitterter Streit darüber ausbrechen, ob Niedersachsen und Schleswig-Holstein „ihre“ Metropolen Hamburg und Bremen so gut ausstatten kann wie Bayern das mit München tut.

Wenn in den strukturell schwächeren norddeutschen Ländern die Flucht in die weitere Verschuldung durch die „Schuldenbremse“ versperrt ist, werden sie noch stärker die Armenhäuser der Republik sein. Und die neuen Bundesländer werden fordern, dass die Transferzahlungen des „Solidarpakt II“ nicht abrupt beendet werden. Im vergangenen Herbst hatten die Verhandlungspartner in der Föderalismuskommission die grundsätzlich Neugestaltung des Finanzausgleichs auf das Jahr 2019 vertagt in der schönen Hoffnung, dass die anziehende Konjunktur bis dahin weiter gefüllte Staatskassen beschert.