Blau und blauäugig

Bei Scientology

Es gibt Momente, in denen sollte man seinen spontanen Einfällen folgen. Dieser war mit Sicherheit kein solcher, aber dennoch beschlossen ein Freund und ich, aus einer ziemlich fortgeschrittenen Bierlaune heraus, dass die einladenden und mit Plasmabildschirmen bestückten Informationsräume der Scientology-Zentrale ein akzeptabler Aufenthaltsort für uns wären. Wenn wir Glück hätten, würde die ein oder andere humoristische Einlage eines missionierwütigen Scientologen herausspringen.

Vom Eingangsbereich verfrachtete man uns in ebendiese gemütlichen TV-Räume mit Sofalandschaft, leider konnten wir dem Informationsfilm nicht wirklich folgen und verlangten immer wieder einen Ansprechpartner abgesehen von der Empfangsdame. Als wir uns auch noch eine Zigarette mit zweifelhaftem Inhalt anzündeten, bat man uns immer inständiger, das Gebäude zu verlassen. Schließlich kam ein mit enormen Extremitäten ausgestatteter, zwei Meter großer Holländer auf uns zu und versprach einen Termin zu arrangieren, wenn wir unsere Telefonnummern und Adressen hinterließen.

Blau und blauäugig sind jeweils schon nicht ratsame Zustände, kombiniert enden sie in etwas, das man getrost Blödheit nennen darf. Am nächsten Tag sehnten wir uns nicht mehr unbedingt nach einem Beratungsgespräch bei Menschen, die uns seit um sieben in der Früh (welch gottlose Zeit, wo wir doch eindeutig als dem Gerstensaftkonsum bei Nacht nicht abgeneigte Bürger zu erkennen waren) Avancen machten. Sie reichten von einem gemeinsamen Katerfrühstück über Bücherkauf bis zur Drogentherapie. Meine Handynummer hab ich geändert, aber der Briefkasten bleibt leider der gleiche. JURI STERNBURG