Die Erste im Parlament

DELPHINE BROX-BROCHOT starb 72-jährig in Cussy-en-Morvan. Um die deutsch-französische Verständigung voranzubringen, stellte sie sich unter anderem mit ihrem berühmten „Boeuf Bourguignon“ als Fernseh-Köchin zur Verfügung. FOTO: CHRISTIAN OESTERREICH

Die Rückkehr ins private Leben empfinde sie als „eine neue Geburt“, sagt Delphine Brox-Brochot, nachdem sie 1983 ihr Mandat in der Bremer Bürgerschaft verliert. Dass sie dort vier Jahre als Abgeordnete aktiv war, setzte freilich gleich zwei politische Meilensteine. Brox-Brochot, die Ostersamstag 72-jährig in ihrem burgundischen Heimatdorf Cussy-en-Morvan starb, war der erste Mensch mit ausländischem Pass, der in ein deutsches Parlament gewählt wurde. Und sie gehörte – als einzige Frau – zur Gruppe der vier ersten grünen Landtags-Abgeordneten dieser Republik.

Das „private Leben“, in das sich die von der „Ideologisierung“ der Grünen enttäuschte Delphine Brox zurückzog, war ein ziemlich öffentliches: Ihre Wassermühle in Cussy-en-Morvan entwickelte sich zum Treffpunkt für BesucherInnen aus aller Welt und zum Zentrum umweltpolitischer Aktivitäten. Bis zuletzt engagierte sie sich etwa gegen die Ansiedlung von Schweine-Großmastbetrieben.

Brox hat sich und andere oft in Bewegung versetzt: Tausende mobilisierte sie für die Demonstrationen in Esensham, Brokdorf und Gorleben. Und Franz Brox, einen engen Studienfreund des heutigen Papstes, brachte sie dazu, zwecks Ehelichung mit ihr das Priesterseminar zu verlassen. Der SPD-geführte Bremer Senat verlieh Delphine Brox-Brochot vergangenen Oktober eine eigens geschaffene „Silberne Rathaus-Medaille“. Neben ihrem „Engagement für die Bürgerrechtsbewegung und Friedensarbeit“ wurde damit auch die „Förderung der deutsch-französischen Zusammenarbeit“ gewürdigt.

Früher sah man das freilich anders: Als Brox in der Bürgerschaft beantragte, im traditionsreichen Bremer Ratskeller solle auch französischer Wein ausgeschenkt werden dürfen, verließ die SPD-Fraktion geschlossen den Saal. Die CDU führte ins Feld, dass bei „Maxim“ in Paris ja auch kein Kohl mit Pinkel serviert würde – was die dortige Restaurant-Leitung dann aber prompt umsetzte.

Andere kulinarische Scharmützel hat Brox verloren. Unmittelbar nach dem Einzug der BGL in die Bürgerschaft trafen sich die Parlamentsneulinge mit dem frisch gebackenen CDU-Chef Bernd Neumann, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu sondieren. Bei dem Treffen, bei dem außer Brox auch ein burgundischer Proviantkorb zugegen war, prägte der heutige Kulturstaatsminister den Satz: „Ihr Grünen habt zwar die schöneren Frauen und den besseren Wein, aber die Sozialdemokraten haben die Aufsichtsratsmandate.“ Solchen Prioritäten hat sich Brox-Brochot schon früh entzogen. Henning Bleyl