Hausbesuch beim Zuhälter

Nach wilden Schießereien auf offener Straße soll die „Soko Rotlicht“ die Gewalt auf dem Kiez eindämmen. Ein Kiez-interner Machtkampf sei jedoch nicht in Sicht, beruhigt die Polizei

Wieso es plötzlich nach Jahren relativer Ruhe zu diesem Gewaltausbruch kam, kann sich die Polizei nicht erklären

VON KAI VON APPEN

Schießerei im Schweinske in Wandsbek am 10. Dezember vorigen Jahres. Dann am 15. März diesen Jahres ein wilder Schusswechsel an der Shell-Tankstelle am Hammer Deich, bei der auch Maschinenpistolen eingesetzt werden und eine Person verletzt wird. Und nun am vergangenen Donnerstag erneut eine wilde Ballerei mit mehreren Schusswaffen an der Shell-Tanke am Dammtor. Die Polizei reagiert auf diese Serie von Gewalttaten mit einer neuen Sonderkommission, der „Soko Rotlicht“: „Wir machen damit deutlich, dass wir keine weiteren Auseinandersetzungen wollen“, sagte am Mittwoch die Soko-Chefin Alexandra Klein.

Während die Boulevardpresse bereits vom „Zuhälterkrieg“ und „Machtkampf um den Autostrich Süderstraße“ spricht, übt sich Klein in Zurückhaltung. „Man kann das nicht einfach in Schubladen stecken“, sagt die Kriminalrätin, die sonst bei der Abteilung Organisierte Kriminalität arbeitet, aber auch über Einsatz-Erfahrungen beim Mobilen Einsatz Kommando MEK verfügt. Es gebe „keine Anhaltspunkte“ für einen Zusammenhang zwischen dem Vorfall an der Shell-Tankstelle Dammtor und dem Hammer Deich.

Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei den beiden letzten Vorfällen um Milieustreitigkeiten handelt. „Die Schwelle ist überschritten und wir zeigen, dass wir das als Polizei nicht akzeptieren“, sagt Klein. Zehn Fahnder sowie zwei Analytiker gehören Kleins „Soko Rotlicht“ an. Die Sonderkommission könne jederzeit auf zusätzliche Kräfte wie das MEK oder die Bereitschaftspolizei zurückgreifen, sagt die Kriminalrätin.

Neben der Aufklärung der beiden Schießereien aus diesem Jahr konzentriert sich die „Soko Rotlicht“ momentan auf die Gefahrenabwehr. „Wir nehmen das alles sehr ernst“ beteuert Klein. Soko-Beamte führten derzeit so genannte „Gefährdetengespräche“ mit Personen durch, die potentiell in Auseinandersetzungen geraten können. „Wir gehen auf diese Personen sehr direkt zu.“

Zudem fänden täglich mehrere Personen- und Fahrzeugkontrollen statt, die Polizei habe ihre Präsenz auf dem Straßenstrich und der Reeperbahn erhöht. „Damit soll die Position der Polizei deutlich dargestellt werden.“

Wieso es plötzlich nach Jahren relativer Ruhe zu diesem Gewaltausbruch im Milieu gekommen ist, das Streitigkeiten unter Ausschluss der Polizei normalerweise intern regelt, kann sich weder die Soko-Chefin noch der Leiter des Dezernats Organisierte Kriminalität, Thomas Menzel, zurzeit erklären. Es gebe zwar einen Milieubezug, „aber keinen Machtkampf um den Straßenstrich oder die Reeperbahn“, sagt Menzel. Die Gewalttaten seien nach jetzigen Erkenntnissen „Einzelereignisse“. Es gebe keine fest gefügten Strukturen: „Eine dominierende Gruppe gibt es im Rotlichtmilieu nicht, das ist ein sehr durchmischtes Gefüge.“

Allerdings gibt auch Menzel zu, dass es bei der Prostitution um „sehr viel Geld“ gehe. 2.400 Frauen arbeiten nach Polizei-Schätzungen als Prostituierte in Hamburg – Insider gehen von sehr viel mehr aus. Die Sexarbeiterinnen arbeiten im Laufhaus auf der Reeperbahn, in Bordellen, auf dem Straßen- und Autostrich, in Clubs und Modellwohnungen und in Hotels. „Gruppenstreitereien mit Schusswaffen“ wolle man in der Stadt aber nicht haben, sagt Menzel.