Drücken, pressen, Toooor!

Bremer Kreißsäle sollen sich in den Farben des Fußballvereins Werder Bremen schmücken. Die Kliniken erhoffen sich einen Patientinnen-Ansturm und Werder neue Mitglieder. Die Kritik, Werbung habe im Kreißsaal nichts zu suchen, wird abgebügelt. Wem’s nicht gefällt, könne es ja abhängen lassen

VON EIKEN BRUHN

Lebenslang grün-weiß – für Werderfans wird in Bremen ein Traum wahr. Ab Mai soll in den drei städtischen Geburtskliniken je ein Kreißsaal in den Farben des Fußball-Bundesligavereins ausgestattet werden. Zwar nehmen Neugeborene Farben noch nicht wahr und auch an Fußball werden sie wenig Interesse haben, aber um die Babies geht es auch gar nicht. Profitieren sollen „sportbegeisterte“ Frauen und Männer, die das grün-weiße „Angebot“ der Kliniken gerne annehmen – analog zu einer Gebärwanne, wie es Helga Loest, Sprecherin des Bremer Klinikverbundes Gesundheit Nord, darstellt. „Die braucht ja auch nicht jede und trotzdem hat fast jede Klinik eine.“ Loest hält eine grün-weiße Tagesdecke mit Werder-Emblem oder einen Sitzball in den Werder-Farben auch nicht für Werbung im Kreißsaal, sondern für eine „Kooperation“ zweier „Partner“, die um Gesundheitsprävention bemüht seien.

Und um Kunden buhlen. Denn während sich die städtischen Kliniken schlicht einen Ansturm auf ihre grün-weißen Kreißsäle erhoffen, wie Loest bestätigt, vergrößert Werder seinen Mitgliederkreis. Anders als viele in der Stadt vermuten, zahlt das Unternehmen keinen Cent für das, was keine Werbung sein soll. Im Gegenteil. Werders „Gegenleistung“ ist eine kostenlose dreijährige Mitgliedschaft für die ganze Familie. Falls diese aus finanziellen Gründen anschließend nicht verlängern will, könnte Werder die Mitgliedsbeiträge noch einmal für drei Jahre erlassen. „Es gibt dann eine Einzelfallprüfung“, sagt Loest.

Mit dieser Art der Mitglieder-Werbung – natürlich könne man die Mitgliedschaft auch ablehnen, sagt Loest – würde man den Patienten und Patientinnen dienen, die vielleicht sonst gar nicht Mitglied im Verein werden würden. „Das ist Bewegungsförderung, auch für arme Familien.“ Und für Werder und gegen eine Kooperation mit den vielen kleinen Sportvereinen in der Stadt habe man sich entschieden, weil der Verein so zentral liege und eben der „Sympathieträger“ Bremens sei.

Viele, die in Bremen in Kreißsälen und mit werdenden Müttern arbeiten, schütteln über diese Argumentation nur den Kopf. Als „Frechheit“ bezeichnet der bis vor einem Jahr nieder gelassene Gynäkologe Georg Bleyer die Behauptung, eine Mitgliedschaft bei Werder diene der Gesundheitsförderung und habe eine soziale Komponente. Und: „Mütter mit einem Säugling haben andere Sorgen als die Vereinsmitgliedschaft bei Werder.“ Anders als der Vorsitzende seines Berufsverbandes findet Bleyer, dass seine Zunft sehr wohl Stellung beziehen sollte zu dem Vorhaben. „Unsere ganze Vorbereitung zielt darauf, eine schöne Geburt zu haben, da müssen wir doch wissen, was in den Kliniken passiert.“ Solange eine Frau nicht selbst ihren Werderschal mitnehme, habe Werbung, egal für wen, im Kreißsaal nichts zu suchen. „Dorthin gehört nur das, was der Geburt förderlich ist“, sagt Bleyer. „Wir und die Hebammen haben uns jahrelang dafür eingesetzt, dass der Kreißsaal auf das ausgerichtet ist, worum es geht: um die werdende Familie und nichts anderes.“ Eine Geburt sei schließlich kein „Event“, sondern eine ernsthafte Angelegenheit. „Da geht es um Leben und Tod, ich finde das richtig entwürdigend.“

Ähnlich sieht es auch die Bremer Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe, die früher als Geburtsvorbereiterin gearbeitet hat. Heute ist es ihr Job, sich einzumischen, wann immer das Interesse von Verwaltung, Unternehmen und Politik über das von Frauen gestellt wird. „Das ist ein Tabubruch“, sagt Hauffe. Auch die Beteuerung der Kliniksprecherin, man könne innerhalb von fünf Minuten alles Grün-Weiße wieder entfernen, lässt sie nicht gelten. „Dass eine Frau während der Geburt darüber debattieren will, ob die Werder-Sachen abgehängt werden, kann ich mir nicht vorstellen.“

Vor allem nicht, wenn diese Diskussion möglicherweise mit dem Partner geführt werden muss, der sich im grün-weißen ganz wohl fühlt, glaubt die Gynäkologin Cornelia von Herder. Früher im Krankenhaus habe sie oft genug erlebt, dass Männer während Werder-Spielen aus dem Kreißsaal gerannt sind. „Das muss man nicht auch noch unterstützen.“

Auch in den Kliniken sollen sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gegen das Vorhaben gewandt haben, doch öffentlich äußern will sich von diesen niemand – offenbar aus Angst vor Konsequenzen des Arbeitgebers.