WAS MACHT EIGENTLICH ... der Frühling?
: Zaghaft vorfühlen

Seit die lieben 68er im Sozialistischen Deutschen Studentenbund die Rede vom Wetter als – kurz gesagt – reaktionär, bürgerlich und banal brandmarkten und jedem, der sich dem Wettergelaber hingab, klammheimlich einen kräftigen Sturzregen wünschten, seitdem sind Wind-und-Sonne-Meldungen eigentlich verpönt. Auch in dieser Zeitung, die sich ja zu gewissen Teilen auf die damalige Generation beruft, die gegen die prüde Darstellung von Hochs und Tiefs rebellierte. Trotzdem finden regelmäßig Meldungen über anstehende Orkane oder heftige Temperaturstürze den Weg ins Blatt – etwa auf dieser Seite eine Rubrik tiefer.

Wahrscheinlich darf auch dies als Indiz für die derzeit beliebte These gelten, dass die 68er letztlich viel weniger bewegt hätten als ihnen häufig zugeschrieben wird. (Vielleicht ist die Welt auch einfach viel banaler, bürgerlicher und reaktionärer geworden). Lange Rede, kurzer Sinn: Es darf wieder vom Wetter – und damit zu dieser Jahreszeit: vom Frühling – gesprochen werden, ohne sich auf klassische Gedichte zu berufen.

Zumal es einen triftigen Grund dafür gibt. Nachdem sich der berühmte und viel besungene Lenz allzu lange einen faulen ebensolchen gemacht hat, ist er nun da. Zumindest ab morgen oder übermorgen oder überübermorgen. Denn für Freitag versprechen die Meteorologen (einst als reaktionäre „Wetterfrösche“ beschimpft) 13 Grad, danach soll es noch ein wenig wärmer werden. Und wenn dann die Bienen wieder von keiner Blüte zweimal naschend über die Wiesen tollen, dürfte das sogar die 68er freuen. BIS FOTO: AP