Keine weiteren Fragen

Warum es verlorene Lebenszeit war, am Dienstagabend die ZDF-Doku „Joschka – eine Karriere“ zu gucken

Wer von Joschka Fischer spricht, spricht oft von sich selbst. Kinder kennen Fischer nicht mehr und werden ihn niemals kennenlernen. Außenminister von 1998 bis 2005? Na ja. Irgendwas passiert damals? Nee. Er war ja nicht mal so dick wie Kohl.

Fischer funktioniert als Spiegel von Menschen, die ihn stellvertretend für sich selbst schätzen – und vor allem hassen. Vereinfacht gesagt: Weil er Dinge getan hat, die sie nicht getan haben. Dies alles vorausgesetzt, hätte man Lust gehabt, in „Joschka – eine Karriere“ am Dienstagabend im ZDF etwas zu erfahren.

Aber offenbar hat man Frankfurter Weggefährten wie Daniel Cohn-Bendit und Hans-Joachim Klein neue Fragen nicht gestellt – oder sie haben sie nicht beantwortet. Und die einstige Kontrahentin Jutta Ditfurth darf nur einen kritischen Satz sagen.

So bleibt: Fischer kommt aus einer Metzgerei in Langenburg/Hohenlohe, hat später in Frankfurt in der Mensa gegessen (weil’s billiger war), Bücher geklaut (weil er davon lebte) und die Grünen geentert, als er endlich gemerkt hatte, dass die Steinewerfer-Inszenierung der 70er nicht mehr nachgefragt wurde. Und er konnte dort ganz schön gut intrigieren (das will man auch hoffen). Heute tritt er in der Stadtsparkasse Leverkusen auf.

Was ist mit den Ideen, die er hatte (die wir hatten)? Kein Wort.

Seine schönsten Sätze waren: 1. „I’m not convinced. Sorry“ (zu US-Verteidigungsminister Rumsfeld); 2. „Ich habe die Steine einfach in die Luft geworfen“ (über sich als Straßenkämpfer).

Die ZDF-Redaktion Zeitgeschichte reagierte gestern auf einen FAZ-Bericht über Probleme bei der Konzeption dieses Films, die in einen Wechsel des Regisseurs mündeten. Der ursprüngliche Regisseur hatte den Fokus des Films neben Fischers Frauen auf den Straßenkampf der 70er legen wollen und die Frage eines nicht aufgeklärten Molotowcocktail-Wurfs. Die Materialsammlung sei „handwerklich unzureichend“ gewesen, schreibt das ZDF, die angekündigte Sensation ausgeblieben, dafür habe es Beschwerden über die Recherchen gegeben.

Im nun ausgestrahlten Film wird nicht einmal mehr darauf hingewiesen, dass „Zeitzeuge“ Klein zeitweise Terrorist war. Eigentlich ist es Geschichtsunterricht für die Baumschule: die Jahre von 1968 bis 2005. Joschka Fischer kommt auch vor. Dieser Film war verlorene Lebenszeit. Man hätte in der Zeit besser Steine in die Luft geworfen. Vielleicht ist Fischer eines Tages bereit, sich selbst neu zu interpretieren. Das wäre spannend. Wer bis dahin etwas über ihn und damit über sich selbst erfahren will, sollte Jürgen Schreibers „Meine Jahre mit Joschka“ lesen.

PETER UNFRIED

Mehr: „Ergrautes Grün. Ein Vierteljahrhundert im Parlament“, 0.20 Uhr, ZDF