hamburger szene
: Von der Leere

Es erwischte vielleicht schon so manchen im Vorübergehen – mich erwischte es im Vorüberfahren. „Ich fühle mich so leer“, verkündet der Mülleimer an der Bushaltestelle. Eigentlich soll mich der humorvolle Spruch dazu auffordern, den gierigen Schlund des roten Metallbehälters mit Müll zu befüllen. Doch irgendwie tut mir der Blechkasten leid. Wer möchte schon Müll in den Mund gesteckt bekommen, wenn er sich doch eigentlich leer fühlt? Jemand sollte den Mülleimer mit schönen Dingen füllen. Und dieser jemand sollte ich sein.

In meinem Kopf entstehen Szenarien einer partnerschaftlichen Wohngemeinschaft mit dem Mülleimer. Die Schokolade für mich, das Papier für dich. Als ich abends von der U-Bahn zurück laufe, kommt mir unweit des Mülleimers ein Mann entgegen. Er stoppt, geht zurück und wirft etwas hinein, vermutlich Müll. Dass er damit gerade den masochistischen Drang eines selbstzerstörerischen Mülleimers befriedigt, ist ihm vermutlich gar nicht klar.

Ich warte, bis er weg ist, und werfe ein besonders schönes Bonbonpapier in den Schlitz. Keine Reaktion.

Mir kommt ein Verdacht: Vielleicht hat der Mülleimer sich nie wirklich leer gefühlt, sondern wurde nur von irgend einem Typen vom Stadtmarketing zum Mahnmal menschlicher Verlassenheit gekürt. Ob sich der vom Stadtmarketing wohl leer fühlt? Ich glaube, ich schick dem mal Bonbonpapier. ANNA-LENA WOLFF