Erste Krise an der Nena-Schule

Wenige Monate nach Eröffnung berichtet der „Stern“ von Gewaltproblemen an der Neuen Schule Hamburg. Behörde fordert mehr Lehrer. Pädagogik-Experte Jan-Uwe Rogge warnt vor Laissez-Faire

VON KAIJA KUTTER

Na, war das voraus zu sehn? Die von Sängerin Nena mitgegründete private „Neue Schule Hamburg“ steckt laut einem Bericht des Magazins Stern ein halbes Jahr nach Eröffnung in der Krise. Inzwischen hätten mindestens acht Eltern ihre Kinder von der Schule abgemeldet; weitere wollten dem folgen. Ferner hätten zwei Lehrer gekündigt und es komme zu Mobbing und Gewalt.

So berichtet ein 10-Jähriger: „Die großen Jungs haben mich getreten, an den Kopf und ins Gesicht. Einmal hat sich ein Großer auf meine Brust gesetzt, bis ich keine Luft mehr bekam.“ Eine Mutter klagt: „Die Kleinen wurden von den Großen gemobbt, die Lehrer sind nicht eingeschritten.“ Schulleiter Philipp Palm spricht von Einzelfällen, die aufgebauscht würden (siehe unten).

Es stellt sich die Frage, ob das sehr freie Konzept der Nena-Schule funktionstüchtig ist. Nach dem Vorbild der US-amerikanischen Sudbury-Vally-School gibt es weder Stundenplan, noch Fächer oder Klassen. Die Schüler entscheiden selber, wann sie lernen und verabreden sich mit den Lehrern. Nach Berichten von Eltern sind solche Terminabsprachen von Lehrern nicht immer eingehalten worden. Die Schule sei „total unorganisiert“, klagt eine Mutter.

Die Hamburger Bildungsbehörde, die vor einem Jahr das Konzept der Schule genehmigte, hält sich mit öffentlicher Kritik an dem freien Träger zurück. Intern ist von einem handfesten Personalproblem die Rede, das die Schule lösen muss, wenn sie die Sommerferien überstehen will.

Das Konzept der Sudbury-Schulen, das weltweit 40 mal kopiert wurde, ist in Deutschland unter Bildungsexperten wenig bekannt. Jan-Uwe-Rogge, der Autor von „Kinder brauchen Grenzen“, kennt es nicht, hält es nach ersten Schilderungen aber für „Laissez-Faire-Stil“, der sich deutlich von der antiautoritären Erziehung unterscheide. Dessen Begründer A. S. Neil habe immer darauf gedrungen, dass es Regeln gibt und Erwachsene Erziehungsverantwortung wahrnehmen. Rogge: „Erziehung ist keine Selbsterfahrungsgruppe.“

„Wenn Eltern ihr Kind auf eine Schule ohne Regeln geben, müssen sie sich nicht wundern, dass sie sich die Köpfe einhauen“, sagt auch der Dortmunder Schulforscher Wilfried Bos. Er würde hingehen und testen, ob die Schüler dort etwas lernen. Bos: „Erst dann kann man sagen, ob es ein gutes Konzept ist.“