Die Putzfrauen übersetzen die Diagnose

Nach einer Studie ist die Versorgung von Migranten an Bremer Kliniken mangelhaft: Sprachliche Probleme ungelöst

Die Gesundheitsversorgung von MigrantInnen im Land Bremen lässt zu wünschen übrig. Diesen Schluss zogen TeilnehmerInnen des gestern gegründeten „Interkulturellen Gesundheitsnetzwerks Bremen“. Bereits in den gestern formulierten Zielen unterscheidet sich das Netzwerk von seinem Berliner Vorbild: Soll dort die Chancengleichheit in diesem Feld „gesichert“ werden, wollen die Bremer diese erst einmal „herstellen“, so Eckhard Lotze vom Bremer Gesundheitsamt.

Wie notwendig dieses ist, hatte zuvor die Ethnologin Christiane Falge vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik geschildert. Eine Studie zur Interkulturellen Öffnung der Bremer Kliniken hatte eine gravierende Nicht-Berücksichtigung der Interessen von MigrantInnen ergeben – die den Kliniken zum Teil selbst gar nicht auffiel. So schätzten die MitarbeiterInnen der Klinik-Sozialdienste, dass nur fünf Prozent aller migrantischen PatientInnen diese Dienste überhaupt in Anspruch nehmen würden, der Rest würde sich wohl Unterstützung von Angehörigen suchen, sagte Falge. Die einzige Klinik-Sozialarbeiterin mit migrantischem Hintergrund weiß es besser. Sie sagte, dass auch die Angehörigen überfordert sind, aber keinen Zugang zu den Sozialdiensten finden, zum Teil, weil sie sich in ihren Bedürfnissen unverstanden fühlen, zum Teil, weil sie kein Deutsch sprechen. Sprachprobleme führten häufig auch dazu, dass PatientInnen ihre Diagnose nicht verstehen und uninformiert in eine OP einwilligen – oder ohne es zu wissen in eine Krebsbehandlung, weil ihre Angehörigen nicht gesagt haben, wie krank sie sind. Selbst den Dolmetscher-Dienst, den das Gesundheitsamt seit zwei Jahren anbietet, würde nur das Krankenhaus Ost nutzen, sagte Falge. „Und das auch nur in geringem Maß, weil es zu teuer ist.“ Die Kliniken hätten sich deshalb eigene Übersetzungsdienste organisiert. „Über Reinigungskräfte“, wusste eine Frau aus dem Publikum zu berichten.

Um effizienter arbeiten zu können und aufgrund von Übersetzungsproblemen entstandene Konflikte zu vermeiden, hätten die Kliniken erste Schritte zur interkulturellen Öffnung unternommen, sagte Falge, „aber in sehr geringem Ausmaß“. So existieren nur an zwei Kliniken religiöse Rückzugs-Räume, es gibt insgesamt zu wenig mehrsprachige Beschilderung und vor allem zu wenig migrantisches Personal. Laut Falges Studie haben nur neun bis 21 Prozent der Ärztinnen und PflegerInnen entsprechende Lebenserfahrungen. Dieses Problem betrifft laut Eckhard Lotze vom Gesundheitsamt nicht nur die Kliniken. Besonders dramatisch sei die Situation in der Psychotherapie und der Psychiatrie.

In den nächsten Wochen soll in Bremen ein weiteres ungelöstes Problem angegangen werden: Die medizinische Versorgung von Menschen, die illegal hier leben müssen. eib