Da haben wir den Salat

Im Umland

Mit einer gewissen Regelmäßigkeit hasst man die Stadt, in der man lebt. Ja, auch Berlin. Vielleicht gerade Berlin. Meistens sieht man hoheitsvoll darüber hinweg. Oder man zelebriert eine zünftige Winterdepression. Sogar ohne Kohleofen. Doch immer denkt man auch kurz an das vielgerühmte Umland. Alle fahren ins Umland – wenn sie über dreißig sind zumindest oder aus den französischen Bergen kommen und Heimweh haben, so wie M.

Also verlassen M. und ich am Samstagmittag die Stadt, um „übers Wochenende ins Umland“ zu fahren. Am Bahnhof fangen wir an uns zu fragen, wo genau das Umland eigentlich ist. Und ob wir nicht eigentlich zu jung für das Umland sind. Aber ein Rückzieher kommt nicht infrage. Wir fahren nach Potsdam. Das ist ja wohl Umland genug. Die Häuser haben meist nicht so viele Stockwerke und es gibt viele Bäume. Wenn sie gerade Blätter hätten, wäre es dort sehr grün. Wir mieten uns sogar über Nacht ein. Wenn schon, denn schon.

M. findet alles so klein, dass er lachen muss. Zuerst lacht M. über die Enten, die über das halb gefrorene Wasser schlittern und aussehen, als wären sie betrunken. M. lacht jeden Turm, jede Burg, jedes Schloss aus. M. lacht sogar jeden Ort aus, der Crêpes anbietet, unter den verschiedensten Schreibweisen, zum Beispiel Crepés. Ich bringe ihm das Wort „Meckerfritze“ bei. „Scheusal“ und „Macht euren Scheiß alleine!“ hat er schon gelernt.

Abends besteht M. darauf, dass wir traditionelle deutsche Küche zu uns nehmen. Es ist 22 Uhr, wir sind die einzigen Gäste, und das Essen ist beinahe kalt. Da bekomme sogar ich Heimweh nach den französischen Bergen, obwohl ich noch nie da gewesen bin. Ich bringe M. „Da haben wir den Salat!“ bei. Dann gehen wir schlafen. ANNE KÖHLER