Papierkrieg um Tempelhof

Vier Wochen vor dem Volks- entscheid plakatieren Flughafen- freunde und -feinde Berlin zu. Schön sieht das nicht aus. Eine Stilkritik

„DAS PARADIES GEÖFFNET. DER FLUGHAFEN EIN MUSEUM.“

Verantwortlich: Bündnis 90/Die Grünen.Auflage: 5.000 große Plakate und 15.000 kleinere. Sie sollen überall dort hängen, wo es auch viele Grünen-Wähler gibt – also im Westen, in Pankow und Friedrichshain.Zielgruppe: „Fix und Foxi“-Leser und die Zeugen Jehovas. Alternativ auch Sparkassenkunden, die sich einmal im Monat das „Knax“-Heft holen. Spruch: Was denn nun, Museum oder Paradies? Ganz schön kryptisch. Und die Kerosinbrache gleich zum kommenden Garten Eden zu erklären, ist auch reichlich utopisch. Gestaltung: Politisch korrektes Haribo-Colorado-Design von Seyfried und Ziska. Die schöne Heile-Welt-Kinderparty kommt so naiv daher, dass es fast schon wieder nett ist. Bloß zwei Fragen: Wieso ist in der rechten Ecke doch noch ein Flieger zu sehen? Was hat eigentlich dieser lachende Papagei mit Reißverschluss zu bedeuten? Erfolgsaussichten: Schon für Christian Ströbele hat Seyfried das Wahlplakat gezeichnet. Dem Grünen gelang der Einzug in den Bundestag. Seyfrieds Anhängerschaft ist nicht zu unterschätzen. Es gibt schließlich auch mehr „Fix und Foxi“-Nostalgiker, als man denkt.

„Ick zahl doch nicht für‘n VIP-Flughafen!“

Verantwortlich: Bündnis der Flughafengegner. Mit dabei: SPD, BUND und AWO. Auflage: 40.000. Zielgruppe: Tempelhofer Sozialdemokraten.Spruch: Sozialneid auf Berlinerisch. Piefig. Gestaltung: Von der Volksfürsorge abgeguckt. Erfolgsaussichten: Eher schlecht. Wer diese Plakate sieht, bleibt zu Hause.

„74 PROZENT DER BERLINER SIND FÜR DEN ERHALT VON TEMPELHOF.“

Verantwortlich: Frank „Ja zum Flughafen“ Henkel und seine Getreuen von der CDU. Auflage: 10.000 Plakate. Zielgruppe: 80 plus und ehemalige GIs. Vielleicht fühlt sich auch Tempelhof-Fan und Bahnchef Hartmut Mehdorn angesprochen.Spruch: Ein großer historischer Satz, der auf alles passt. Eingängig, aber schwer abgenutzt. Passt zur Rosinenbomber-Nostalgie der Christdemokraten.Gestaltung: Viel Adenauer, wenig Rock‘n Roll. Waren die 50er wirklich so bieder?Erfolgsaussichten: Ganz gut. Berlin altert. Und auch bei den Jungen ist Retro-Chic aus der Nierentisch-Zeit wieder angesagt.

„Ich bin ein Berliner. JA zu Tempelhof am 27.April.“

Verantwortlich: Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (Icat) und mit ihr Fluggesellschaften, die gerne in Tempelhof landen.Auflage: 1.000 große Plakatwände. Sie sollen mit wechselnden Slogans beklebt werden. Zielgruppe: Hippe Vielflieger, die direkt in der „City“ starten und mit Bizair oder Windrose „Destinations“ wie München und Brüssel anfliegen.Spruch: Stimmt nachdenklich, dass tatsächlich so viele Berliner Tempelhof als Flughafen erhalten wollen. Die Umfrage-Zahlen sind allerdings schon etwas alt: Sie wurden im Februar 2007 erhoben. Aber selbst wenn sie auch heute noch stimmen sollten: Dass all diese Menschen zum Volksentscheid gehen, ist längst nicht sicher.Gestaltung: Eine rückwärtsgewandte Forderung, aber modern verpackt. Naheliegend: das Anzeigentafeldesign.Erfolgsaussichten: Die Icat geht davon aus, dass sie nicht mehr überzeugen, sondern nur noch mobilisieren muss. Ganz schön gewagt.