Die Dinge nicht zu Ende gedacht

betr.: „Nonnen retten das Kopftuch nicht“, taz vom 19. 3. 08

„In meinem Staat soll jeder nach seiner Facon selig werden.“ Die Nichtbeachtung dieses Toleranzgebotes von Friedrich dem Großen hat in den vergangenen 250 Jahren großes Unheil angerichtet. Unter diesem Gesichtspunkt ist es sicherlich lohnenswert, den „Kopftuch-Prozess“ gegen Frau Graber einmal zu betrachten: Welche konkreten Gefahren gehen denn von der Lehrerin aus? Ist sie ein direkter Arm der al-Qaida? Ruft sie auf zu Terror und Gewalt? Oder ist das Kopftuch einfach Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung?

Jüdisches Leben beginnt sich in Deutschland allmählich wieder zu formieren. Vorstellbar und wünschenswert ist es sicherlich, dass es in Deutschland, wie vor 1933 auch, wieder Lehrer in staatlichen Schulen mit jüdischem Glauben gibt, die ihre Religionszugehörigkeit bekanntermaßen zum Beispiel durch das Tragen der Kippa zum Ausdruck bringen. Wie wollen wir es damit halten? Wollen wir sie zwingen, die Kopfbedeckung an der Schulpforte abzugeben? Werden wir diese Vorschrift mit der gleichen Vehemenz durchsetzen wie gegen Frau Graber? Wie würde ein solches Verbotsurteil in Israel und in der Weltöffentlichkeit aufgenommen?

Das Beispiel macht deutlich, dass der schwäbische Gesetzgeber, wie so oft, die Dinge leider nicht zu Ende denkt. Auch ein von vielen konservativen Politikern immer wieder beschworenes „vereintes Europa“ ist mit der Kleingeisterei eines Gesetzes, welche noch nicht einmal das Niveau des 18. Jahrhunderts erreicht, eigentlich nicht vorstellbar! „Wir können alles außer…“ vernünftige Gesetze machen! MICHAEL PARYS, Stuttgart

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.