Beide schlecht, beide glücklich

Der Hamburger SV arbeitet sich völlig uninspiriert an Arminia Bielefeld ab und schafft mit viel Mühe ein 1 : 1. Die Chancen auf eine Teilnahme in der Champions League schmälert das kurioser Weise nicht

von RALF LORENZEN

56.000 Zuschauer schimpften wie die Rohrspatzen, als HSV-Trainer Huub Stevens den Rasen in Richtung Pressekonferenz verließ. Dort versuchte der grantige Niederländer, gute Laune zu versprühen: „Deine Haare können die Sicht ja wohl nicht versperrt haben“, sagte er zu einen kahlköpfigen Boulevard-Reporter mit einem für Stevens neuartigen Sinn für Humor. Der HSV-Trainer nämlich hatte gut Lachen: Zwar hatte er eine der schlechtesten Saisonleistungen seinen Mannschaft gesehen – die Chancen auf einen Champions League Platz aber wurden Dank der Ergebnisse auf den anderen Plätzen keineswegs geschmälert.

Vollkommen unverständlich aber war die Fröhlichkeit von Bielefelds Trainer Michael Frontzeck nach dem Spiel. Das Unentschieden ist für seine Mannschaft nicht nur auf dem Punktekonto zu wenig, es ist auch dem Spielverlauf nach enttäuschend. Bielefeld hatte den HSV am Rande der Niederlage und scheiterte nur an der eigenen Mutlosigkeit.

Eine solide Abwehrleistung reichte den braven Ostwestfalen 80 Minuten lang, um die häufigen, aber völlig uninspiriert vorgetragen Angriffe der Hamburger abzuwehren. Als hätten sie den Autopiloten eingeschaltet, schleppten Jarolím, Trochowski und Benjamin die Bälle ohne jeden Tempowechsel durch das von der Arminia freiwillig geräumte Mittelfeld. In Strafraumnähe angekommen standen sie dann da und man spürte förmlich, wie die Spieler nach einer Idee suchten, mit der dem Bollwerk beizukommen wäre – um dann doch noch einmal quer zu legen oder einen blinden Pass in die Tiefe zu spielen.

Als Anspielstation wartete ein Spieler, der in den letzten Wochen zum großen Fragezeichen mutiert ist. Wieder einmal präsentierte sich Hamburgs Rafael van der Vaart behäbig, zweikampfschwach und ideenlos. Ein Hauch von Gefahr entstand lediglich durch Fernschüsse von Trochowski und Dribblings von Guerrero. Auf der anderen Seite schienen die Bielefelder ihre Angriffe teilweise freiwillig abzubrechen, aus Angst, nicht rechtzeitig wieder nach hinten zu kommen.

Alles sprach also für einen gähnend langweiligen Nachmittag, hätte nicht David Jarolím plötzlich seine Giftszähne gezeigt und alle Vorurteile über seine Spielweise bestätigt: Der außerhalb des Platzes sympathische Tscheche brachte das Kunststück fertig, sich seine rote Karte innerhalb einer Minute gleich viermal zu verdienen. Erst produzierte er an der Strafraumgrenze eine weithin sichtbare Schwalbe, dann griff er dem Bielefelder Markus Schuler nach einem Wortgefecht in den Unterleib, ließ sich selbst theatralisch fallen und regte sich schließlich künstlich über den berechtigten Feldverweis auf.

Die verbliebenen Hamburger taten alles, um die alte Weisheit, wonach zehn Spieler oft besser sind als elf, zu widerlegen: Sie kassierten das 0 : 1 durch einen Kopfball des völlig frei stehenden Bollmann. Wie die Bielefelder, die jetzt alle Trümpfe in der Hand hatten, in den verbleibenden 20 Minuten agierten, lässt sich nur küchenpsychologisch als eine tief sitzende Angst vor dem Gewinnen deuten. Zaghaft und ängstlich ließen sie erst die Hamburger wieder ins Spiel kommen und gaben dann dem HSV-Stürmer Mohamed Zidan extra viel Platz am Strafraum. Den nutzte der Ägypter zum einzigen gelungenen Pass während des gesamten Spiels – ein Pass in die Spitze, den Paolo Guerrero eiskalt nutzte. Die enttäuschten Fans versöhnte das nur wenig. Hauptsache, die Trainer hatten ihren Spaß.

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