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Ortstermin: Tagung der „Gesellschaft für Angewandte Mathematik“Zahlen und Knochenbrüche

Mit einem Kongress versucht die „Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik“ zu zeigen, dass ohne die beiden Fächer gar nichts ginge

Hans Rath hat in dieser Woche viel zu tun. Nicht weniger, als „zwei Wissenschafsgruppen zu verbinden“, hat sich der Physiker vorgenommen. „Wir bauen die Brücke zwischen der Mechanik und angewandter Mathematik,“ sagt Rath, der sonst Leiter des Bremer Zentrums für Angewandte Raumfahrttechnologie ist. Doch in dieser Woche ist er der Gastgeber für die Jahrestagung der „Gesellschaft für angewandte Mathematik und Mechanik“ (GAMM). Der Kongress, zu dem rund 1.000 internationale Spitzenforscher erschienen sind, sei „eine Symbiose, absolut unabdingbar für die florierende Wirtschaft und weltweit einmalig“, sagt Rath. Die USA, Frankreich und England, ist er sich sicher, „beneiden uns um diesen Kongress“.

Um abstrakte Grundlagenforschung handele es sich bei der Tagung mitnichten. „Ohne die Verbindung der beiden Fächer wäre zum Beispiel die Unfallforschung in ihrer heutigen Form gar nicht denkbar: Die Mechanik kann die Belastungen eines Skeletts fast perfekt nachstellen und so Verkehrsunfälle und Knochenbrüche simulieren“, sagt Rath. Durch mathematische Berechnungen analysierten die Forscher anschließend, welche Sicherheitsvorkehrungen sinnvoll seien.

„Keines unserer Fächer baut Häuser oder Schiffe, aber ohne sie gäbe es beides nicht“, sagt Peter Wriggers, der Präsident der GAMM in seiner Eröffnungsrede. Es klingt, als fühle er sich ein wenig unbeachtet. „Alle computerbasierten Wissenschaften nutzen unsere Erkenntnisse.“

Um derlei Ideenfindung weiter voranzutreiben, haben er und Rath „abstrakt arbeitende Mathematiker“ mit solchen aus der industriellen Forschung zusammen gebracht. Eine von ihnen ist die 27-jährige Christine Kaland, eine Doktorandin aus Hamburg. „Ich will hier meine Scheuklappen ablegen“, sagt sie. Kalands Befürchtung, einen Tunnelblick zu entwickeln, kommt angesichts ihres Forschungsgegenstandes nicht ganz von ungefähr: „Ein kinetisches Schema für die Savage-Hutter Gleichungen“, lautet der Titel ihres Fachvortrages. Es geht, soviel wird klar, um Zahlenlehre.

„Die ganz neuen Ideen werden in den Köpfen der jungen Generation geboren. Es ist wichtig, bereits Schüler für Mathematik zu begeistern“, sagt Susanna Schmidt, Ministerialdirektorin beim Bundesministerium für Bildung und Forschung, zur GAMM-Eröffnung. Ihr Ministerium hat den Kongress deshalb als Veranstaltung in das Programm des „Jahres der Mathematik 2008“ aufgenommen. Mit dem Mathejahr will die Bundesregierung Interesse für die trockene Zahlenwissenschaft stiften. Unter dem Titel „Mathematik fürs Leben“ spricht deshalb am Mittwoch ein Fraktalforscher im GAMM-Rahmenprogramm auch darüber, was Mathe mit Brustkrebs zu tun haben kann.

Doch so sehr sich die Wissenschaft auch öffnet, für Organisator Rath bleiben einige Dinge unbeantwortet: „Die Forscher beschäftigen sich mit allem, was seit dem Urknall statt gefunden hat. Aber über das, was davor war, wird nie geredet.“ Sina Listmann

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