Wir basteln uns Schwarzfahrer

Kontrolleure in der Linie 6 hatten gestern viel zu tun: Am ersten Gültigkeitstag des Semestertickets „erwischten“ sie Studierende, die ihren Ausweis dabei, aber nicht zusammengeklebt hatten

von Eiken Bruhn

Für Straßenbahn-Kontrolleure muss die Strecke zwischen Bahnhof und Universität wegen der Semesterticket-Inhaber an normalen Tagen recht unergiebig sein – setzt man voraus, dass es ihnen darum geht, möglichst viele Schwarzfahrer zu erwischen. Genau das scheint der Fall zu sein, denn ausgerechnet gestern, am ersten Gültigkeitstag des neuen Semestertickets waren die Bremer „Controlettis“ auf der Strecke unterwegs. Dreimal sei er am Vormittag nach seinem Fahrausweis gefragt worden, sagte ein Student gestern Mittag – „normalerweise werde ich hier nie kontrolliert“. Normalerweise sind die Kontrollen auch schnell erledigt, doch gestern hatten die Mitarbeiter des „Bremer Service Teams“ alle Hände voll zu tun.

Reihenweise fischten sie Studierende heraus, die es versäumt hatten, ihre Ausweise vorschriftsmäßig zusammenzukleben. Seit ein paar Jahren ist das Semesterticket nämlich mit Bastelarbeit verbunden: Auf das eigentliche Ticket gehört ein Passfoto und das Ganze muss dann mit einer mitgeschickten Klebefolie versiegelt werden. Gültig wird es aber auch dann erst „in Verbindung mit einem amtlichen Lichtbildausweis“, wie es auf der Rückseite heißt. Noch in der Straßenbahn versuchten deshalb einige Fahrgäste gestern, ihr neues Semesterticket fertig zu machen – zu spät, wie die Kontrolleure fanden. Selbst wer die Bastelarbeit gerade hinter sich gebracht hatte und damit ein gültiges Ticket präsentieren konnte, wurde aufgeschrieben. Auch der Einwand, alle erforderlichen Unterlagen samt Personalausweis dabei zu haben, erweichte kein Kontrolleursherz. Wütender Protest war genauso nutzlos, es folgten Pöbeleien, welche Existenz überflüssiger ist: Die des Kontrolleurs oder die des „Ewig vor sich hin Studierenden“.

Den Verdacht, es handle sich um eine Schikane-Maßnahme, weist ein Sprecher des Bremer Service Teams zurück. „Es gab gestern auf der Strecke keine Schwerpunkt-Maßnahme“, so Jörg Speitel. Sein Unternehmen, das die Kontrollen im Auftrag der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) durchführt, bekomme keine Provision von der BSAG für „erwischte“ Schwarzfahrer und zahle auch keine an die eigenen Leute. „Wir stellen nur den Sachverhalt fest und übergeben das an die BSAG“, sagte Speitel.

Auch die BSAG stellte die gestrigen Kontrollen als Routine dar. Die Semestertickets seien schon vor einiger Zeit verschickt worden, wer versäumt habe, diese rechtzeitig zusammen zu kleben, sei selbst schuld, sagte Unternehmenssprecher Jens Christian Meyer. „Das gilt auch für andere Zeit-Tickets.“ Allerdings müssten diejenigen, die Inhaber eines Semestertickets sind, nicht den vollen Gebührensatz von 40 Euro zahlen, sondern nur eine Bearbeitungsgebühr von sieben Euro. „Das deckt leider nicht unsere Kosten“, so Meyer.

Sinnvoll seien die Kontrollen dennoch, weil sie tatsächliche Schwarzfahrer abschreckten. Und auch das relativ umständliche Semesterticket verteidigte der Unternehmenssprecher. Es sei wesentlich fälschungssicherer als frühere Versionen.