Der Hader-Josef, er lacht und quietscht

Der unrasierte Österreicher ist zu Gast in Berlin. Saukomisch, skurril, filmisch und elegant unterhält er sein Publikum in mehreren Vorstellungen

VON JENNI ZYLKA

Josef Hader war neulich bei Radioeins zu Gast, in einer Talkshow, die der Interviewte auf der Musikebene komplett allein bestreiten darf, was mehr oder weniger angenehme Pausen vom Rotationshitprinzip ergibt. Und die Musik, die jemand mag oder mochte, spricht bekanntlich eine eigene Sprache. Im Falle Josef Haders sagte sie: Georg Danzer, Tom Waits, Randy Newman, Björk, Bloc Party, Falco, Thelonius Monk, Schubert – also ein romantischer, spießiger, softer, kunstinteressierter Jazzfan mit einer Schwäche für Mundart-Pop, der Herr Hader, so die voreilige küchenpsychologische Diagnose. Viel tiefer ließ der österreichische Kabarettist im Gespräch aber auch nicht blicken.

Steht er auf der Bühne, zetert herum, belfert echte und imaginäre Spielpartner an, lernt man ihn nur über die Facetten des Lebens kennen, über die er sich lustig macht. In seinem neuen Programm „Hader muss weg“ kommen nach und nach drei der sieben ProtagonistInnen um: der bärbeißige Tankstellenbesitzer. Der schleimige Kneipenpianist. Der Hader selbst.

Der 46-Jährige spielt sämtliche Rollen in zerknittertem Trenchcoat, samt Bartschatten und mit minimalsten Hilfsmitteln. Mal sucht er, ganz der zynische, vom Leben enttäuschte, traurige Comedian, einen Namen im Handy und erzählt, dass er alle Drecksäue eingespeichert hat, „immer A für Arschloch und den Nachnamen“, das ist natürlich ein Spitzen-Oneliner. Genau wie der hintergründige Kommentar zum amerikanischen Schulsystem, das ja manchmal die einzig anständige Ausbildung mit der Todesstrafe abbreche. Oder der bittere Spruch zum eigenen Suizidwillen: „Ich lieg ja schon im Sterben, wie soll ich mich umbringen? Da muss man hochmotiviert sein …“

Hader wechselt die Charaktere mithilfe ein paar typischer Gesten: Den verklemmten Hader-Fan erkennt man an seiner wiehernden Lache, die Tussi an der eitlen Körperhaltung, den Tankstellenbesitzer am Grummeln. Wie in einem Scorsese-Film, in dem die Kamera am Anfang ohne Schnitt immer wieder mit verschiedenen Personen mitläuft, schwingt sich Hader von Idiot zu Idiot.

Überhaupt hat sein Auftritt, trotz nicht vorhandener Bühnendeko und magerster Utensilien, etwas sehr Filmisches: Hader, der mit großem Erfolg das Drehbuch und die Hauptrolle im tragikomischen Roadmovie „Indien“ übernahm, und in zwei aufsehenerregend tollen Verfilmungen des österreichischen Krimi-Autors Wolf Haas spielte, jenem Schauspieler Hader fällt es leicht, in kürzester Zeit verschiedene Masken aufzusetzen. Elegant verwebt er die Geschichten, hat in den komischen Momenten etwas von der Tragik eines Jack Lemmon, wenn er so verspannt auf der Parkbank sitzt und nicht merkt, dass die Dame, die sich freimütig neben ihn kuschelt, nichts für ohne Geld macht. In Sachen Fettwegkriegen verschont er konsequenterweise niemanden: weder sich selbst, den resignierten Witzbold, der in der Anfangssequenz vor seinen paar Lines Koks hockt und auf den desinteressierten Techniker einquatscht, noch die Fans, weder die guten noch die bösen.

Das Publikum, in dem man viele Gesichter kennt, denn Herr Hader ist sozusagen ein „Comedian’s Comedian“, einer, den die KollegInnen durch die Bank für seine Ideen, seine Inhalte und seine Formate bewundern, lacht sich kaputt. Kichert, wie immer bei echten Fans, schon bevor der erste Witz die Bühne verlassen hat, als ob die Ansicht eines unrasierten Österreichers bereits zum vergnügten Quietschen reiche. Gackert durch, quasi, und holt nur bei der Pause nach anderthalb Stunden ein bisschen Atem.

Lacht über typische Kabarett-Apercus, „der Werner ist ein Kämpfer. Der Werner gibt ’n Brief auf. Sonst gibt er nix auf“ genauso wie über die hübsche Beschreibung des toten Hader, dessen Gehirnmassebrocken von einer Ameisenstraße wegtransportiert wird, als ob es sonst nichts zu lachen gäbe im Leben, vielleicht stimmt das ja auch.

Wieso man dennoch nicht so ganz mitlachen kann, ist eruierenswert. Eventuell, weil Hader einen, genau wie in der Radiosendung, trotz allem nicht wirklich an sich heranlässt. Seine Rollen zwar perfekt spielt, aber sogar die des „Kabarettisten Hader“ ganz klar als Rolle auslegt. Einen wie in einem saukomischen Film sitzen lässt – vor der Leinwand, nicht darin.

Sich zwar berechtigt über das Allermeiste lustig macht, noch berechtigter über linke Spießer, Gutmenschen und liberale Pseudo-Weltbeweger, Lohas eben, aber über die machen sich ja selbst Sat.1-Komiker lustig, denn sie bieten eine so angenehm klar umrissene Angriffsfläche.

Wer dieser Hader ist, der da wegmuss, dieser Kleinkunstkönig mit zwei Jahrzehnten Erfolgen und Preisen auf dem krummen Rücken, weiß man nach und trotz einer großartigen Vorstellung genauso wenig wie vorher. Dabei ist er bestimmt spannend.

Ab heute wieder im Admiralspalast bis 6. 4., täglich 20.30 Uhr