Der Fußballer, der nicht lange fackelt

Ich sympathisiere mit der Sache der Tibeter. Das ist meine Art, dem tibetischen Volk in seinem Kampf beizustehen.“ Mit diesen Worten könnte Baichung Bhutia, Kapitän der indischen Fußball-Nationalmannschaft, eine Welle lostreten. Denn er ist der erste Sportler, der den olympischen Fackellauf für die Pekinger Spiele boykottiert. Eigentlich sollte er die Fackel am 17. April durch Delhi tragen. Am Dienstag sagte er ab.

Bhutia, der für den Verein Mohun Bagan in Kalkutta als Stürmer spielt und in 51 Länderspielen 20 Tore erzielte, gilt als einer der besten Kicker Indiens. Zwar hat Fußball dort kein hohes Niveau, doch ist Bhutia immerhin dessen prominentestes Aushängeschild.

Mit seiner Absagte hat er nicht nur die Chinesen in eine peinliche Situation gebracht, sondern auch die indische Regierung wegen ihrer betonten Zurückhaltung in der Tibetfrage bloßgestellt. Denn Indien, wohin der Dalai Lama 1959 floh, möchte sich auf keinen Fall die mühevoll verbesserten Beziehungen zum Nachbarn China wieder verderben lassen. Lange zeigte China seinem Nachbarn Indien die kalte Schulter. Erst seit wenigen Jahren zeigt sich Peking offener. Beide Länder wollen künftig wirtschaftlich enger kooperieren.

Daher zögerte Indien auch nicht, jedes Aufflammen von Protesten der 150.000 tibetischen Flüchtlinge im Land von der Polizei auflösen zu lassen. Auf keinen Fall sollten Bilder brennender chinesischer Flaggen aus Indien um die Welt gehen. Erst am Monat sagte Außenminister Pranab Mukherjee, der Dalai Lama sei ein „respektierter Gast“. Doch er dürfe sich in Indien in keiner Weise politisch betätigen, „die die indisch-chinesischen Beziehungen schädigt“.

Auch aus einem anderen Grund dürfte Bhutias Absage in Delhi Bauchschmerzen verursachen: Der Sportler stammt aus Sikkim. Die nur 600.000 Einwohner zählende Bergregion zwischen Tibet und Bhutan war bis 1975 ein eigenständiges Königreich. Damals entschieden sich die Bewohner in einem stark beeinflussten und kritisierten Referendum für den Anschluss an Indien. China, das seine Fühler auch nach Sikkim ausgestreckt hatte, erkannte diesen Schritt erst 2005 an.

In direkter Nachbarschaft zu Bhutias Heimat liefern sich seit Jahrzehnten Rebellengruppen, die für die Unabhängigkeit von Indien kämpfen, Gefechte mit indischen Sicherheitskräften. Auch deshalb findet die Idee einer stärkeren Autonomie Tibets in Delhi nur wenig Freunde.

Doch nun hat Bhutia das Thema Tibet in die Schlagzeilen der indischen Medien gebracht. Vielleicht ist er damit nur der erste Sportler, der sich mit Kritik an der chinesischen Tibet-Politik zu Wort meldet.

SASCHA ZASTIRAL