Höllenfahrt in Leuchtfarben

Korrespondenz des Glamourösen: Neue Arbeiten von Bettina Allamoda treffen in der Galerie September auf „An Infinite Painting on ‚A Vision of the Last Judgement‘ by William Blake“ von Nikolaus Utermöhlen, der 1996 starb

Ist dies nun ein sehr aufgeräumter Galerieraum oder nicht?, fragt man sich beim Betreten der Kreuzberger Galerie September, die eine Doppelschau von Bettina Allamoda und Nikolaus Utermöhlen unter dem Titel „To Die For“ zeigt. Nur ein einziges Objekt stellt sich in den Weg, wenn man den Raum betritt. Es handelt sich um ein zurückhaltend verfremdetes Absperrgitter. In dieser geschützten Umgebung eigentlich seiner ursprünglichen Funktion beraubt, funktioniert es dennoch ganz prächtig als Hindernis.

Über das Gerüst aus verzinktem Stahl ist ein himmelblauer, seidig glänzender Stoff drapiert, der an einer zusätzlichen, senkrecht angrbrachten Metallstange aufgehängt ist. Wie in einer chemischen Mischung zweier nicht miteinander reagierenden Stoffe halten sich beide Komponenten – die Plumpheit des Gitters und die Flüchtigkeit des Stoffs – schön die Waage. Ganz gelingt es dem Betrachter jedoch nicht, in der abstrakten Anschauung zu bleiben: Unwillkürlich denkt man auch an tierische Vierfüßler-Anatomien. Es könnte sich um die Silhouette eines Pferdes, vielleicht auch die eines Zentauren handeln, der hier erstarrt ist.

So entwirft Bettina Allamoda diverse Faltenwürfe, die ebenso sehr autonome Skulptur wie abstraktes modisches Modell sind. Zwei weitere Objekte an der linken Wand der Galerie bringen Stoff und Stahl in eine jeweils eigene, minimalistisch angehauchte Balance. Bei „Rockette“ (2008) ist es ein magentafarben schimmernder Paillettenstoff, bei „King Neptune (slim)“ (2008) ein großes Stück zitronengelbes Glanzvelours, das sich so wohl nur für die Dauer der Ausstellung fixieren lässt. Eleganz, Lässigkeit, Glamour sprechen aus der Haltung ihrer körperlosen Posen, und das verleiht den Skulpturen doch einen sehr eigenen Charakter.

In ihrer puren Chemofarbigkeit korrespondieren die Objekte mit den neun ausgestellten Aluminiumpaneelen der Serie „An Infinite Painting on ‚A Vision of the Last Judgement‘ by William Blake“ von Nikolaus Utermöhlen aus dem Jahr 1992. Der Mitbegründer der legendären Westberliner Künstlerformation Die tödliche Doris, die man bis zu ihrer planmäßigen Auflösung 1987 je nachdem für eine Band, ein Filmkollektiv oder einfach für eine sehr seltsame Delegation halten konnte, starb 1996 im Alter von 38 Jahren.

Für seinen Blake-Zyklus verwendete Utermöhlen eine Höllenszene des englischen Mystikers aus dem Jahr 1808, die er mit Hilfe eines Farbkopierers fast vollständig verfremdete, ein fast blasphemischer Vorgang gegenüber dem Anspruch der Originalität von Malerei. Nur langsam schälen sich aus dem psychedelischen Farb-Inferno menschliche Leiber. Ordentlich hat der Künstler seine Farbexzesse in einer Art Kachelung auf Aluminiumplatten aufgebracht und mit Acrylbinder versiegelt. Kleine, nachträglich aufgebrachte rote, pinke, gelbe oder grüne Farbtupfer verstärken die Räumlichkeit der Bilder, die sich ebenso wie Allamodas Installationen gegen eine schnelle Lesart sperren.

An der Oberfläche verbindet die Farbe beide Arbeiten; darunter ist es das Weitertreiben der Kunst durch einen Schein des Modischen und Glamourösen bis in eine Art neuer Abstraktion hinein. Nicht zuletzt deutet der Titel der Ausstellung, „To Die For“, an, in einen voll Sehnsucht herbeigewünschten Bereich vordringen zu wollen: sei es die Erlösung im Fall von Nikolaus Utermöhlen oder der Fetisch bei Bettina Allamoda. KITO NEDO

„To Die For. Bettina Allamoda und Nikolaus Utermöhlen“. Bis 26. April. September Galerie, Charlottenstraße 1, 10969 Berlin. Di. bis Fr. 11 bis 19 Uhr, Sa. 11 bis 18 Uhr