berliner szenen Dialoge allein (1)

Die lange Liebe

Warum ist er nur so feige? Warum macht er aus unserem Leben fast so etwas wie die siebente Staffel einer Fernsehserie? Drängelt mich in die Brenda-Position. Oder macht uns zu Paradefällen aus diesem Neue-deutsche-Mädchen-Buch – die kurze Liebe, die lange Liebe, schöne Unterscheidung, so rein theoretisch, aber in Wirklichkeit ist doch immer das Problem, ob man das alles auch richtig erkannt hat. Ob die lange Liebe nicht eigentlich eine kurze Liebe gewesen wäre und die kurze Liebe nicht die lange Liebe. Oder leben andere Menschen wirklich so? Mit klaren Aussagen und klaren Erzählungen über sich? Dies ist mein Buch, dies ist mein Leben, und hier treffe ich abends meine Kollegen auf einen Drink? Vielleicht sollte ich ihn doch überreden, morgen mit auf die Buchvorstellung in die Backfabrik zu kommen. Schade, dass man immer denkt, dass die anderen denken, dass man ernsthaft auf solche Veranstaltungen geht, um wirklich etwas über das Leben zu erfahren. Lebensgefühl und so. Wo es nur darum geht, mal zu gucken, was die anderen gerade so tun, als würden sie es gerade denken. Niemand denkt so platt, wie es in diesen Befindlichkeitsdenkbüchern drinsteht. Das weiß jeder. Auch ich nicht. Auch er nicht wahrscheinlich. Auch die Autorinnen nicht. Wirklich niemand. Und Brenda? Das ist der entscheidende Schritt. Wenn man sich nicht mehr mit Claire, sondern mit Brenda identifiziert. Dann steht auch die Frage nach der langen Liebe an. Aber wirre Bücher übers wirre Leben will wohl keiner lesen. Die Uhr da vorne ist noch gar nicht auf Sommerzeit umgestellt –

sagte eine Frau Mitte dreißig, Stiefel, Jeans, Wollschal, als sie auf ihrem Diamant-Männerfahrrad an der Ecke Rosenthaler Ecke Torstraße an der Ampel warten musste. DIRK KNIPPHALS