Was ist nett?

Lightspeed Champion tauchten in der Höhle des Bang Bang Clubs auf und spielten ein nettes britisches Indiefolkpop-Konzert vor netten Leuten, und das war auch gut so

Was ist nette Musik? Es gibt ja Leute, die das Wörtchen „nett“ nicht leiden können. Für sie bedeutet es so viel wie „langweilig“, „pomadig“ oder „irgendwie“. Aber muss man gleich böse werden, nur weil etwas nett ist? Nein, muss man nicht. Wie man am Mittwochabend im gut gefüllten Bang Bang Club in Mitte erleben durfte.

Dort gab es nämlich nette Musik. Dargebracht von netten Menschen, aufgenommen von einem netten, freundlichen Publikum, das sich jung und neugierig und etwas zu zurückhaltend gab. Die netten, sympathischen Menschen auf der Bühne nannten sich Lightspeed Champion, stellten ihr gerade zwei Monate junges Debüt „Falling Off the Lavender Bridge“ vor und machten hauptsächlich nette Musik. Nette Musik bedeutet in diesem Fall: britischen Indiefolkpop.

Also eher harmlose Liedchen, vorgetragen mit Bass und Schlagzeug, Akustikgitarre und Violine. Wobei Lightspeed Champion eigentlich nur aus einer Person besteht. Der Lightspeed Champion, vorher bei der Elektropunk-Band Test Icicles aktiv, heißt Devonte Hynes, trug eine lustige Fellmütze, die er trotz mehrmaliger Aufforderung nicht abnimmt, ein weiß-blaues T-Shirt und sah nicht nur wie jemand aus, mit der man gerne mal eine Tasse Earl Grey trinken würde, sondern auch „ganz gut“, wie aus weiblichen Quellen hörbar wurde. Auf seiner Gitarre zeigte sich ein Star-Wars-Aufkleber, nicht ganz zu Unrecht, wie sich später herausstellen sollte.

Die Schlagzeugerin trug ein goldenes Bändchen im dunkelgüldenen Haar und freute sich sichtbar über ihre eigene Beteiligung; der Violinist („Geiger“ klingt dann doch zu schlimm) trug eine verfrühte Halbglatze und schien ein bisschen schüchtern; der Bassist hatte ein „unmögliches“ rot-weiß kariertes Hemd an, dafür aber einen schicken Bass vor dem Bauch. Der Folkpop, den die vier machten, swingte munter vor sich hin, es herrschte geigengetragener Wohlklang in Uptempo. Was fehlte, war der Tritt in die Seele, das Wegreißen der Beine, der musikalischen Gewissheiten. Nett war es trotzdem. Die Texte handelten von Beziehungskonflikten, wie man sie in den Zwanzigern so hat. Also nach dem Pathos der frühen Jahre und vor der Seriosität derer ab 30. Nicht schlecht, aber auch nicht weltbewegend. Nett eben.

Devonte Hynes eigentlicher Auftrag lautet ja: Mach gute Coverversionen. Von diesen hat er schon zahlreiche aufgenommen und auf selten auffindbaren EPs versteckt oder von findigen Nerds durchs Netz schicken lassen. Darunter befinden sich Versionen alter Schlager wie dem aus Hair bekannten „The Flesh Failures“ („Let the Sunshine in!“), aber auch Versionen neuzeitlicher Klassiker von Amy Winehouse oder den Killers. An diesem Abend hielt er sich leider nicht lange in fremden Metiers auf. Das eigentliche, ohnehin recht kurze Set (und die Vorband war auch schon ausgefallen!) beendete er mit einer zehn Minuten langen Rockoper, die trotz des folkigen Ansatzes etwas an Queen gemahnte und mit dem Thema aus „Star Wars“ anhob. Die Zugabe leitete er dann aber mit einer aberwitzigen Version von „Heart in a Cage“ ein, einem Song vom gar nicht zu unterschätzenden letzten Album der Strokes. „I went to the concert and I fucked with the crowd“, heißt es da unter anderem.

Dev Hynes, übrigens gebürtiger US-Amerikaner, in Edinburgh, Schottland aufgewachsen und mittlerweile bereits länger in London wohnhaft, traute sich „das Ficken mit der Menge“ dann aber doch nicht recht zu. Für düster-existenzialistische Rockposen schien der lustige Irrwisch mit der Fellmütze zu nett. Es folgten noch zwei Liedchen, dann durfte das spätstudentische Publikum aus der unter der S-Bahn-Trasse am Hackeschen Markt befindlichen Höhle springen. Es war nicht mal elf Uhr. Alles blieb sauber. RENÉ HAMANN