Ein Haus für Künstler

Vor fünf Jahren zog das Künstlerhaus Hamburg aus dem Schanzenviertel nach Ottensen. Diesen Samstag feiert es sein 30-jähriges Bestehen – und sieht sich von einem neuen Umzug bedroht

VON MAXIMILIAN PROBST

Gras wächst bekanntlich auch zwischen Pflastersteinen. Andere Pflanzen müssen gehegt und gepflegt werden, um in einer feindlichen Umgebung nicht gleich einzugehen. Und wieder andere benötigen eine ganz eigene Atmosphäre, ein Gewächshaus, um zur Blüte zu gelangen. Vielleicht sind Künstler solche Pflänzchen, die nur unter speziellen Bedingungen gedeihen. Sie brauchen ein Atelier, sie brauchen die Möglichkeit zum künstlerischen Austausch, und sie brauchen einen Ausstellungsraum.

Diese drei Rahmenbedingungen künstlerischer Arbeit erfüllt das Künstlerhaus Hamburg seit nunmehr 30 Jahren – das ist die frohe Botschaft. Die schlechte: Es ist ungewiss, ob Hamburgs ältestes Künstlerhaus seine lange Geschichte noch lange wird fortschreiben können. Die Stadt Hamburg hatte vor einiger Zeit angekündigt, das Gebäude höchstbietend zu verkaufen. Übernimmt es ein Investor, kann das für die Künstler das Aus bedeuten. Ihr Mietvertrag endet in fünf Jahren, „und eine Verlängerung zu den jetzigen Konditionen ist bei einem neuen Besitzer sicher nicht drin“, sagt die im Haus wohnende Sabine Mohr. Klar: Im Herzen des beliebten Ottensen gelegen, lässt sich mit adretten Eigentums- und Mietwohnungen aus dem Bau mehr Geld als mit Kultur schlagen.

Für die Künstler wäre das ein Déjà-Vu. Ende 2003 mussten sie nach 25-jährigem Mietverhältnis aus einer ehemaligen Schraubenfabrik in der Weidenallee ausziehen. Gemeinsam mit dem „Abbildungszentrum“, einer Gruppe von Medienkünstlern und Filmemachern, bezog man danach den schlichten Funktionsbau in Ottensen aus der Zeit des Wirtschaftswunders. Vormals beherbergte er ein Friseurinstitut, weshalb das Haus heute liebevoll Frise genannt wird. Für den Ateliereinbau steuerte die Kulturbehörde 30.000 Euro bei, den Rest finanzierten die Künstler mit einer großen Kunstauktion. Nach einem halben Jahr eigenhändigen Umbaus bezogen sie das Domizil in der Arnoldstraße.

Damit sich diese anstrengende Umzugsgeschichte nicht noch einmal wiederhole, wollen die Künstler der Frise das Haus jetzt selber kaufen, und zwar mit Unterstützung von Genossenschaftsgeldern. Etwa die Hälfte der Genossenschaftsanteile haben die Mitglieder des Vereins bereits übernommen, für die andere Hälfte werden noch so genannte „Art-Genossen“ gesucht. Diesen Titel kann man mit einer Einlage von mindestens 100 Euro erwerben – und sich den Anteil später, mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr und einer Rendite von 2,5 Prozent, wieder auszahlen lassen.

So ließe sich die Zukunft des Kunstortes sichern, an dem heute über dreißig Künstler aus allen Bereichen der zeitgenössischen Kunst arbeiten. Zudem finden in der Frise mit der Unterstützung der Kulturbehörde jährlich bis zu 16 Ausstellungen sowie Diskussionen und Feste statt. Ein Gastatelier, das zweimonatig bezogen wird, fördert den internationalen Austausch.

Zurzeit ist in der Frise die Ausstellung „Räume ohne Orte“ zu sehen. Es sind verschachtelte Räume, an einer Wand hängt ein Foto: Es zeigt einen leeren Raum. Rundum hängen Zeichnungen, die wie Protokolle von stundenlangen, sinnentleerten Telefongesprächen aussehen: ein Strichgewirr, das sich manchmal bedrohlich verdichtet und manchmal leicht wie eine Wolke über dem Blatt zu schweben scheint. Was wollen die Bilder damit zeigen? Den rätselhaften Nichtort der Kommunikation, hier der verschlungenen Telefonleitung? Man weiß es nicht, aber was man weiß, ist, dass diese Bilder an einem höchst realen Ort hängen, von dem man sich auch zum Wohle des städtischen Raums ringsum wünscht, er möge erhalten bleiben.

Das Gründungsfest der Frise eG beginnt am Samstag, 15 Uhr in der Arnoldstraße 26–30. Um 19.30 Uhr liest Jan Philipp Reemtsma aus Christoph Martin Wielands Briefroman „Aristipp und einige seiner Zeitgenossen“.