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ürdrüs wahre kolumne17 Jahr, blondes Haar

Ein kleiner Kombattantinnen-Trupp des Dalai Lama fuhr vor ein paar Tagen zusammen, aber definitiv nicht gemeinsam mit mir im „Metronom“ von Elze nach Hannover – eine Gruppe bestehend überwiegend aus Mädchen im Konfirmationsalter, denen man die Gewöhnung an vegetabile Kost ansah. Zwischen diesem offenkundig edelgesinnten Dutzend sprang eine mutmaßliche Azubine für Event-Management hin und her, um jeweils zwei bis drei auf die kommende Aktion einzuschwören: „Wichtig ist immer, die Transparente und Schilder so zu halten, dass gute Bilder für die Zeitungen entstehen. Ihr müsst auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass die drei oder vier Tibeter immer mit auf das Foto kommen – die hängen da sonst immer nur lasch rum und freuen sich, dass sie mal wieder Landsleute treffen!“ Später kann die junge Frau das hier Gelernte einsetzen, wenn sie den Ausflug des S-Clubs der Sparkasse Lüchow-Dannenberg zur Grünen Woche medienwirksam inszenieren darf. Können ja nicht alle Halbtagsstellen bei der Gesellschaft zur Bedrohung der Völker kriegen.

Nie wieder werde ich als ausgewiesener Schlagerfan je in unbefangener Freude „17 Jahr, blondes Haar“ singen können. Denn die von Udo Jürgens in diesem Lied gewürdigte Corinna Jürgens war, wie ich jetzt erst aus der Bunten erfahre, dem koksenden Richter Barnabas Schill „über zwei Jahre in Leidenschaft verbunden“ und würdigt ihren Lover „Ich bereue nichts, es war eine schöne Zeit mit einem tollen, gebildeten Mann“. Einfach schamlos, dieses Blondie.

Dass glaubensfrohe Menschen auf die Idee kommen, einen „Gebetsmarsch“ durch die Harzlandschaft zu machen, vermag ich mir noch vorzustellen, Warum man solch Unterfangen aber „für den Harz“ auf sich nimmt wie morgen die Christenheit von Braunlage, will mir nicht so ganz einleuchten – und auch die „Fürbitte für Wirtschafts- und Finanzwelt am Eichhörnchenbrunnen“ ist so vom Menschensohn nicht vorexerziert worden: Der hat die Händler und Wucherer schließlich bei aller sonstigen Friedfertigkeit aus dem Tempel geprügelt!

Das Zusammenspiel zwischen dem einstigen grünen Rebellenhaufen GAL und der hanseatisch-eleganten CDU in der Hamburger Bürgerschaft klappte bei der Debatte um die von den Galliern einst abgelehnten Studiengebühren in dieser Woche schon so gut, als ob die das schon seit Jahren geübt haben. Gibt vermutlich für so was ein Trainingscamp auf Neuwerk.

Im Café unweit des Waller Friedhofs sitzen drei Damen um die 70 offensichtlich nach vollzogener Grabpflegetätigkeit und trinken einen Kaffee. Den sie allerdings durch einen ordentlichen Ergänzungsschluck aus einer elegant-silbernen Taschenflasche aromatisieren. Außerdem stärken sie sich mit Donuts, die eine von ihnen in der Handtasche mit sich führt. Als sie meinen Blick bemerken, zwinkern sie mir verschwörerisch zu: „Muss doch jeder sehen, wo er bleibt bei den Preisen.“ Immerhin werde ich dann noch durch einen eigenen Hieb aus der Taschenflasche mit ins Boot genommen. „Wir kleinen Leute müssen doch zusammenhalten“, meint dazu voller Wohlwollen

ULRICH „ASBACH“ REINEKING

ULRICH REINEKING, Kabarettist und Journalist, war lang genug mit dem deutschen Schlager in Leidenschaft verbunden.

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