sarah bsc
: Vorauseilende Melancholie

Jetzt ist es also sozusagen amtlich: Dieter Hoeneß verlässt uns. Es dauert zwar noch eine Weile, er geht ja nicht gleich, sondern erst 2010, aber trotzdem wurde ich, als ich davon erfuhr, merkwürdig wehmütig. Diesen großen runden Kopf, der auf dem massigen Körper sitzt, nicht mehr regelmäßig zu sehen, seine Pressekonferenzen nicht mehr zu erleben, sich nicht mehr über seine merkwürdigen Ein- und Verkaufsstrategien aufregen zu können, all das werde ich vermissen. Ja, ich vermisse es sogar jetzt schon, denn bei jedem Kommentar von Hoeneß denke ich: Ach, auch das ist bald vorbei.

Wahrscheinlich ist das ein Anzeichen dafür, dass ich langsam alt werde. Wenn ich Menschen vermisse, die noch gar nicht weg sind, sozusagen von vorauseilender Melancholie erfasst werde.

Nicht mal die doch ziemlich absurde Idee von Werner Gegenbauer und Bernd Schiphorst, in Zukunft ihre Ämter als Präsident und Aufsichtsrat einfach miteinander zu tauschen, als wäre Hertha eine afrikanische Scheindemokratie, in der man zwar wählen kann, auf dem Stimmzettel dann aber doch nur den Namen des König findet, reichte nicht, um mich aus dieser Stimmung herauszubringen. Das wieder mal verlorene Samstagspiel hat dann eigentlich fast keine Rolle mehr gespielt. Auf dem Platz war nach den wenigen spannenden Anfangsminuten schnell alles wieder frustrierend.

Aber vielleicht hat die Mannschaft ja für Hoeneß verloren. So vorauseilend wie ich trauere, ziehen die Spieler den Kopf ein, wenn es darum geht, ein Ergebnis zumindest zu halten. Mag sein, dass die auch denken: Es hat doch alles keinen Sinn mehr, ohne den Dieter. Obwohl die Kicker andererseits noch lange nicht so alt sind, dass sie sich ungestraft der Wochenendmelancholie hingeben können.

SARAH SCHMIDT