Genossen stöhnen über Kurt Beck

In Düsseldorf quält der Parteichef die nordrhein-westfälische SPD mit einer sensationell langweiligen Rede

DÜSSELDORF taz ■ Ein triumphaler Empfang sieht anders aus: Auf einer Seitentreppe versteckt wartete Kurt Beck auf das Ende der Rede der nordrhein-westfälischen SPD-Chefin Hannelore Kraft. Erst danach huschte der angeschlagene Vorsitzende der Bundespartei auf die Bühne des Düsseldorfer „Maritim“-Flughafenhotels – und präsentierte den Delegierten des nordrhein-westfälischen SPD-Landesparteitags eine in weiten Teilen enttäuschende, weil erwartbare Rede.

Für sein Lob der Hartz-Gesetze der Regierung Schröder, für seine matt vorgetragene Forderung nach Mindestlöhnen, für sein Bekenntnis zum Bergbau, der auch an der Ruhr spätestens 2018 auslaufen wird, bekam Beck von den nordrhein-westfälischen Genossen kaum Applaus. Immer wieder präsentierte der SPD-Bundeschef sozialdemokratische Selbstverständlichkeiten: Gerechtigkeit und Solidarität waren die Motive seines frei gehaltenen Vortrags. Leider weigere sich der rheinland-pfälzische Ministerpräsident, vorbereitete Reden zu halten, stöhnten manche Genossen.

Begeistern konnte Beck die Delegierten nur mit der Forderung nach einem NPD-Verbot, mit Attacken auf die Linkspartei – und auf den Koalitionspartner im Bund, die Union. Als CDU-Chefin müsse Bundeskanzlerin Angela Merkel endlich ihren Generalsekretär Ronald Pofalla disziplinieren: „Wenn man einen Hund hat und der beißt immer den Nachbarn, dann kann man auch nicht sagen: ‚Ich bin ein ganz guter, lieber Nachbar, nur dieser Hund ist das.‘ Dann muss man den Köter anbinden.“ Der aus dem niederrheinischen Weeze stammende Pofalla hatte zuvor erklärt, er sorge sich wegen der „Selbstzerfleischung“ der SPD um die Demokratie.

Die Frage der SPD-Kanzlerkandidatur erwähnte Beck dennoch mit keinem Wort. Zuvor aber hatte er SPD-Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der auf der Liste der beliebtesten Politiker erstmals Bundeskanzlerin Merkel von Platz eins verdrängt hat, mit vergiftetem Lob bedacht. Steinmeier könne sicherlich erfolgreiche Wahlkämpfe führen, sagte Beck. Genau das hat der Außenminister aber noch nie getan. Steinmeier bewirbt sich bei der Bundestagswahl 2009 erstmals um ein Direktmandat. Gleichzeitig bereitet sich die Berliner SPD-Bundeszentrale auf eine Kanzlerkandidatur Becks vor: Eine Sprecherin des Willy-Brandt-Hauses wollte Berichte, für Online-Kampagnen sei bereits die Website „Wir-fuer-Beck.de“ reserviert worden, nicht dementieren.

In Düsseldorf bekam Beck am Ende trotzdem Standing Ovations. Zu groß ist die Sehnsucht der nordrhein-westfälischen Genossen nach Geschlossenheit. Die hatte auch die nordrhein-westfälische Partei- und Fraktionschefin Hannelore Kraft immer wieder angemahnt. Die Diplom-Ökonomin will die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl 2010 „wieder zur stärksten Partei“ machen, „die Linkspartei aus dem Landtag heraushalten“ – und wurde mit 96,6 Prozent wiedergewählt. Derzeit liegt die CDU von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers laut einer aktuellen Forsa-Umfrage bei 43, die SPD dagegen nur bei 29 Prozent. ANDREAS WYPUTTA