Kafkas Affe

Hals und Beinbruch

Der Affe – besser gesagt: der Mann, der im räudigen Pelzmantel den Affen darstellt – springt mit einem Schrei auf die Bühne des Engelbrot Theaters. Dem Theater haftet der Charme vergangener Tage an. Es zieht, und es riecht ein wenig nach Flohmarktklamotten. In Kafkas „Bericht für eine Akademie“ ist es der Affe, der mit großer Kunst den Menschen nachahmt. Hier versucht der Mann auf der Bühne für das Publikum zum Affen zu werden.

Er berichtet uns über sein „äffisches Vorleben“. Dabei schiebt er den Unterkiefer in Affenmanier nach vorn und hinkt. Erst ist es das rechte Bein, das er nachzieht. Das Bein nämlich, in welches den Affen der Schuss traf, der es ermöglicht hat, ihn gefangen zu nehmen. Gegen Mitte des Stücks legt der Mann den Pelz ab, unter welchem er einen Anzug trägt. Dann humpelt er plötzlich mit dem anderen, dem linken Bein.

Nach einer Stunde verschwindet der Schauspieler hinter der Bühne, kommt humpelnd wieder hervor und verbeugt sich. Zögern im Publikum. Erst als der Mann sich noch einmal verbeugt, beginnt der Applaus. Hinter mir fragt ein junger Mann seine Begleiterin „War’s das jetzt?“ Mein Freund und ich schauen uns ratlos an. „So wie der hinkt, ist er ja noch in der Rolle. Ist sicher Pause“, sage ich.

Wir trinken im Foyer ein Bier. Um uns herum warten noch einige andere Leute auf die Fortsetzung. Da humpelt der Schauspieler ins Foyer. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt. Er habe sich wohl den Zeh gebrochen, berichtet er, gleich beim zweiten Affensprung. Nur unter Schmerzen habe er das Stück zu Ende gespielt. Er trinkt eine große Cola. Ob ihm wie Kafkas Affen der Alkoholgeruch zuwider ist? Wir trinken unser Bier aus und gehen nach Hause. MAREIKE BARMEYER