Heilen lohnt sich nicht

Die Arte-Doku „Das Rätsel Alzheimer“ (21.00 Uhr) zeigt, wie die Forschung an der Pharmaindustrie scheitert

Dass Martina Peters vor Ärzten auf Kongressen spricht, ist ungewöhnlich. Alzheimer-Patienten bekennen sich kaum öffentlich zu ihrer Krankheit. Die 42-Jährige will sich jedoch nicht verkriechen. Sie leidet an einer erblichen Form der Demenz und ist damit eine von rund drei Millionen Patienten in Europa. Sie steckt Geld zum Tanken ein, obwohl sie mit dem Fahrrad fährt, und wird panisch, sobald selbst banale Situationen nicht verlaufen wie erwartet.

Die Dokumentation „Das Rätsel Alzheimer“ bildet den Kern des Arte-Themenabends „Erinnern und Vergessen – Unser Gehirn im Alter“. Der Film zeigt eindrucksvoll, wie Forschung an ihre Grenzen stößt und hoffnungsvolle medizinische Ansätze an finanziellen Interessen scheitern.

Pat McGeer, Forscher der Berliner Charité, hat einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einer Entzündung im Gehirn festgestellt. Er recherchierte daraufhin, dass Rheuma-Patienten, die entzündungshemmende Mittel wie Ibuprofen einnehmen, so gut wie nie an Alzheimer erkranken. Trotzdem werden diese neuen Erkenntnisse derzeit nicht weiter verfolgt: Der Forscher hat für seine Studien weltweit keine Geldgeber gefunden – Arzneimittel aus alten Wirkstoffen können nicht patentiert werden und sind für die Pharmaindustrie daher nicht rentabel.

Stattdessen fördert der US-Pharmahersteller Wyeth an der Charité eine Studie, in der Alzheimer-Patienten ein neuer Impfstoff injiziert wird. Das Mittel soll Ablagerungen und Flecken im Gehirn bekämpfen. Diese sogenannten Plaques galten lange als Verursacher der Krankheit. Zwei Patienten sind während der Studie an allergischen Schocks gestorben. Die Ausstrahlung einer bereits abgegebenen Stellungnahme der Charité wurde auf Intervention von Wyeth untersagt.

An anderer Stelle zeigt der Film, dass die Bekämpfung der Plaques womöglich ein Kampf gegen Windmühlen ist. Der Forscher David Snowdon von der Universität Kentucky hat über Jahre hinweg etwa 600 Nonnen zwischen 80 und 107 Jahren untersucht. Sie wurden regelmäßig befragt, beobachtet und getestet. Nach ihrem Tod stellten einige ihre Gehirne zur Verfügung, um deren Zustand mit den geistigen Leistungen zu Lebzeiten vergleichen zu lassen. Dadurch gerät die gängige Plaque-Theorie ins Wanken: Das Gehirn einer Nonne wies Alzheimer im Endstadium auf, die Frau war aber fit und frei von Symptomen.

Die Aussage der Doku ist beklemmend: Neue Forschungsansätze werden wirtschaftlichen Interessen geopfert, während eine junge Frau wie Martina Peters hilflos mit ihrem geistigen Verfall umgehen muss.

TORSTEN LANDSBERG