Hillaryland abgebrannt?

Auch Mark Penn, bereits der dritte Wahlkampfstratege von Hillary Clinton, musste nun ihr Team verlassen. Ist der Kampf der US-Demokratin um die Kandidatur für das Präsidentenamt verloren?

VON BERND PICKERT

Nach gut einem halben Jahr intensivem Wahlkampf unter ständiger öffentlicher Beobachtung ist das Ehepaar Clinton wieder dort angekommen, wo es nach acht Jahren turbulenter Präsidentschaft Ende 2000 war: im Zwielicht und Zweifel an Kompetenz, Ehrlichkeit und Authentizität. Hatte die Bush-Erfahrung die Clinton-Jahre in der Erinnerung vieler ins Positive verklärt, so ist inzwischen alles wieder da: die Affären, die Rettungsversuche, die kleinen und großen Lügengeschichten, die Überheblichkeit einerseits, der Hass auf Hillary andererseits. Und mit ihm die Schadenfreude, wenn in Hillaryland mal wieder alles schiefgeht.

„Wenn ich den Fernseher anschalte, höre ich nur Schlechtes. Die Nachrichtensender sagen, wir seien am Ende und raus. Aber das stimmt gar nicht. Ich bin jeden Tag mit Hillary unterwegs – die Menschenmengen werden immer größer.“ Und die E-Mails des Wahlkampfteams von Hillary Clinton immer weinerlicher.

Vorwahlkampf der US-Demokraten, April 2008. Rund einen Monat nach der letzten Vorwahl in Mississippi steht es nicht gut um die Kandidatur Hillary Clintons. Die sechs Wochen Leerlauf bis zum nächsten Termin am 22. April in Pennsylvania waren Gift für die erste ernsthafte weibliche Bewerberin in der Geschichte der USA – und brachten Zulauf für den ersten schwarzen Kandidaten Barack Obama.

Der Rausschmiss ihres Wahlkampfstrategen Mark Penn am Sonntag ist da nur der letzte Aufreger in einer ganzen Reihe von kleinen und großen Fehltritten aus dem Lager Clinton. Mal steigt sie selbst völlig ohne Not ins Fettnäpfchen, mal jemand aus ihrem Team. Etwa die Bosnien-Märchenstunde: In mehreren Reden hatte Clinton, die stets ihre außenpolitische Erfahrung und Kompetenz betont, von einem Besuch als First Lady in Sarajevo 1996 erzählt. Beim Aussteigen aus dem Flugzeug sei sie unter Scharfschützenfeuer ins nächste gepanzerte Fahrzeug gestürzt, die geplante Begrüßungszeremonie habe ausfallen müssen, berichtete Clinton ihren beeindruckten Zuschauern. Alles Quatsch, erwiderte kurze Zeit später der Fernsehsender CBS, der damals eine Reporterin mit dabei hatte. Kein Beschuss, weit und breit, dafür ein nettes Begrüßungskomitee nicht zuletzt aus kleinen Kindern habe auf dem Rollfeld bereitgestanden, erinnerte die Reporterin – und zeigte gleich die entsprechenden Bilder von damals, die seitdem im netten Zusammenschnitt auf YouTube zu sehen sind. Nachdem die erste Verteidigungsrede des Clintonlagers nicht wirklich zu überzeugen vermochte – bei einer Million Wörtern, die Clinton am Tag spreche, könne so etwas schon mal vorkommen – hat sie inzwischen kleinlaut eingestanden, alles erfunden zu haben.

Mark Penn – der unter Clinton-Anhängern nie beliebt war – ist schon die dritte hochrangige Person, die Clintons Team aufgrund strategischer Fehler verlassen muss: Wahlkampfleiterin Patti Solis Doyle war im Februar nach einer Serie von Niederlagen gefeuert worden, Beraterin Geraldine Ferraro wegen mehr als zweideutiger Bemerkungen über den schwarzen Konkurrenten Obama im März. Dazu kommen die Niederlagen, zuletzt in Mississippi, und der Wunsch der Demokraten, dass es bitte jetzt endlich entschieden sein möge. Tatsächlich wächst der Druck auf Hillary Clinton, endlich aufzugeben, nahezu stündlich an.

Doch nichts dergleichen. „Unsere Familie ist nicht gut im Aufgeben“, schreibt Expräsident Bill Clinton an den E-Mail-Verteiler und bittet, wie so oft, um Geld. Denn das ist es derzeit, was den Clintons noch mehr fehlt als gute Stimmung: Während Konkurrent Obama weiter erfolgreich seine Spenderbasis verbreitert und allein im März wieder 40 Millionen US-Dollar frische Spenden einsammeln konnte, steht Clinton vor einem Schuldenberg. „Obama kann viermal mehr Geld ausgeben als wir“, jammert sie in einer Mail der letzten Woche und fordert eindrücklich Unterstützung für den Pennsylvania-Wahlkampf. Bei einer Kandidatin, die schon mehr Geld hatte als alle anderen zusammen, als sie sich noch nicht einmal offiziell erklärt hatte, erstaunt das. Und für nicht wenige Demokraten bedeutet allein dieses miserable Wahlkampfmanagement so eklatante Schwächen, dass sie Clinton als Präsidentin für unwählbar halten. Auch das hätte kaum jemand für möglich gehalten.