Der Tod tritt auf die Bremse

Auf der Autobahn 7 bei Hildesheim gilt Tempo 120, seitdem gibt es weniger schwere Unfälle. In Niedersachsen gelten schon auf 40 Prozent des Netzes Tempolimits – wenigstens am Tag

Ein einziges Bundesland hat ein generelles Tempolimit beschlossen – und heute tritt es in Kraft: Bremen. Verkehrssenator Reinhard Loske enthüllt heute um 13 Uhr ein Verkehrszeichen 274 auf der A 27. Dies legt auch für die letzten unlimitierten sechs Millionen Millimeter Bremer Autobahn die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 120 Kilometer pro Stunde fest. Damit erhöht sich die durchschnittliche Verweildauer durchreisender Autofahrern im kleinsten Bundesland um schätzungsweise zwei volle Minuten. TAZ

VON DANIEL KUMMETZ

Es sind nur zehn Kilometer auf der A 7 zwischen Hildesheim-Drispenstedt und der Hildesheimer Börde – dennoch hat es diese kurze Strecke in sich: Sie ist ein kleiner Beleg für die Wirksamkeit von Tempolimits für die Verkehrssicherheit. Die Gesamtzahl der Unfälle in diesem Bereich hat sich nur minimal verändert, aber die Intensität erheblich: Seit der Einführung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 Kilometer pro Stunde im Juni 2007 gab es bis zum Jahresende keine tödlichen Unfälle mehr, die Zahl der Schwerverletzten sank auf Null, die der Leichtverletzten auf zehn, teilte die Autobahnpolizei in dieser Woche mit. Im Vergleichszeitraum, der zweiten Jahreshälfte 2006, gab es auf dieser Strecke noch zwei Tote, fünf Schwerverletzte und 18 Leichtverletze. Dieser Erfolg ist der Polizei noch nicht genug: Da die Unfälle sich vor allem um die Ausfahrt Hildesheim herum vermehrt haben, wird dort demnächst die Geschwindigkeit auf 100 Stundenkilometer begrenzt. „Das Tempolimit wirkt sich also insgesamt positiv auf das Unfallgeschehen aus“, sagt Uwe Semper, Chef der Hildesheimer Autobahnpolizei.

Das hat auch der niedersächsische Verkehrsminister Walter Hirche (FDP) erkannt und unabhängig von der Hildesheimer Initiative im vergangenen Herbst Tempolimits auf den zweispurigen Abschnitten der A 1 und A 7 angekündigt, Anfang März wurden die letzten Schilder aufgestellt. Seitdem sind auf den entsprechenden Strecken tagsüber nur noch 120 Sachen erlaubt. Auch auf der A 2 wurden starre Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt. Wie sich diese Maßnahme auswirkt, untersucht noch die TU Braunschweig.

„Wenn es verkehrliche Gründe wie Unfallhäufung oder Gefälle gibt, dann führen wir das Tempolimit ein, sonst nicht“, sagt Jens-Thilo Schulze von der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr.

Doch nicht jede Anhäufung von Unfällen führt sofort zu Tempolimits. Bevor das geschieht, untersucht die Unfallkommission aus Polizei, Verkehrsbehörden und Straßenmeisterei mögliche Ursachen. Die Unfälle werden klassifiziert, um festzustellen, ob die Zusammenstöße etwa Folgen von zu nasser Straße, Problemen beim Bodenbelag oder doch einer zu hohen Geschwindigkeit waren. Ein Ergebnis der Kommissionsarbeit war das Tempolimit bei Hildesheim.

Geschwindigkeitsbeschränkungen werden also nicht präventiv eingeführt, sondern erst als Reaktion auf Unfallwellen. Entsprechend sieht die Bilanz des Landes aus: Auf 520 von 1405 Kilometern gibt es Geschwindigkeitsbeschränkungen – vor allem auf der A 27, A 28 und A 31 gibt es noch viele unbegrenzte Strecken.

Der Verkehrsclub Deutschland ist von den neuen Regeln aus Niedersachsen nicht voll überzeugt: „Dass das Limit nur tagsüber gilt, halten wir nicht für sinnvoll“, sagt Sprecher Daniel Kluge. Zwar gebe es nachts im Allgemeinen ein geringeres Verkehrsaufkommen und damit eine geringere Unfallgefahr, aber trotzdem führe höhere Geschwindigkeit weiterhin zu einem höheren Todes- und Verletzungsrisiko im Falle eines Unfalls. Der VCD macht sich für ein Tempolimit stark. Anders der ADAC Niedersachsen: „Wir befürworten zeitlich und lokal begrenzte Tempolimits, wenn sie sichtbar zur Verbesserung der Unfallsituation beitragen“, sagt Sprecher Roman Mölling.

In Schleswig-Holstein herrscht beim Thema Tempolimit ein ähnliches Bild wie in Niedersachsen. Das Verkehrsministerium beziffert den tempolimit-freien Teil der Autobahnen im Land auf 60 Prozent. „Die Landesregierung hat eine kritische Haltung zum Thema Tempolimit. Wir würden uns einer Entscheidung auf Bundesebene aber nicht versperren“, sagt Harald Haase, Sprecher des schleswig-holsteinischen Verkehrsministers Dietrich Austermann (CDU).

Die Erfahrungen aus Hildesheim sind allein nicht repräsentativ, die Zeitreihen nicht lang genug, um ein fundiertes abschließende Erkenntnis zu bieten. Dennoch bestätigen sie Erfahrungen, die Autobahnpolizeien auch anderswo in Norddeutschland machen: Anfang des Monats berichtete die Autobahnpolizei Talkau bei Lübeck an der A 24 von sinkenden Unfallzahlen. Die Gründe: Neue Fahrbahn, mehr Radarkontrollen – und Tempolimits.