dichter, verehrung etc.
: Noch ein Haus für Günter Grass

Einen nach ihm benannten Asterioden gibt es schon. Günter Grass ist also auch am Himmel verewigt. Lübeck schmückt sich mit einem Grass-Haus, in Bremen – wo ihm wenigstens einmal ein Literaturpreis vorenthalten wurde – gibt es eine Günter-Grass-Stiftung, und in seiner Geburtsstadt Danzig, der er in der mittlerweile zum „Danzig-Sextett“ angeschwollenen „Danziger Trilogie“ zu literarischem Ruhm verhalf, wird im nächsten Jahr ein Grass-Museum eröffnet. Außerdem hat in Berlin quasi jede Literaturinstitution etwas mit Grass zu tun – Grass lebte hier, schwang große Reden, schrieb seine Werke oder initiierte Preise –, doch fairerweise muss man sagen, dass dort die Akademie der Künste, das LCB und der Stadtteil Friedenau noch nicht nach Grass benannt sind. Dann gibt es noch Wewelsfleth, wo Grass das Döblin-Haus erst kaufte und dann an Berlin verschenkte.

Die beschauliche niedersächsische Universitätsstadt Göttingen jedoch kann nicht von sich sagen, dass sie eine wichtige Station im Leben dieses Schriftstellers war oder ist. Allerdings hat dort der Steidl Verlag seinen Sitz, der sich seit Grass’ Trennung von Luchterhand um den Nobelpreisträger kümmert. Und der Verleger Gerhard Steidl ist wer in Göttingen. Nun hat er, indem er ein Grundstück zur Verfügung stellt, die Stadt Göttingen davon überzeugt, dass ein weiteres Grass-Haus entstehen muss, dieses soll der Kunst gewidmet sein.

Das wirft Fragen auf. Wie viel Grass-Häuser muss es geben? Zumal, nur mal so zum Beispiel, Enzensberger, Handke oder Jelinek – Letztere ja auch Nobelpreisträgerin! – noch nicht mal auf ein nach ihnen benanntes Haus verweisen können? Wann kommen Grass-Straßen, -Plätze, -Alleen, -Parks? Und im Ernst: Steht die Verehrung, die Grass zu Lebzeiten erfährt, noch in irgendeiner Relation zu seiner literarischen Bedeutung? Bei allem Respekt, ein Goethe ist er nicht, doch langsam schließt er, was die Benamung von Institutionen angeht, zum Weimarer Meister auf.

Manche munkeln sowieso, das alles sei eher die Belohnung für sein ausdauerndes Engagement für die SPD. Doch in Göttingen liegt es, obschon die SPD den Bürgermeister stellt, anders. Der Verleger, dessen Interesse an der Grass-Verehrung auf der Hand liegt, ist zugleich der Mäzen des Göttinger Grass-Hauses. Man hat es also mit einer Art AOL-Arena zu tun, nur dass anstelle des internationalen Konzerns jetzt ein mittelgroßer Verlag seine wichtigste Marke stärken will. Das wiederum passt denn doch gut in eine ambitionierte kleine Großstadt. JÖRG SUNDERMEIER