In der Haftfalle

Obwohl viele Flüchtlinge in Schleswig-Holstein nur auf der Durchreise sind, landen sie zunehmend in Abschiebehaft. Der Flüchtlingsrat kritisiert das harte Durchgreifen der Polizei, der Landesflüchtlingsbeauftragte spricht von „Schikane“

Europa ist grenzenlos – aber nicht für Asylsuchende: „Vor allem irakische Kriegsflüchtlinge geraten auf der Durchreise durch Schleswig-Holstein in die Haftfalle“, kritisiert der Flüchtlingsrat des Landes. Da etwa in Schweden ein Großteil dieser Menschen ein Bleiberecht erhalten würde, versuchen sie, Skandinavien zu erreichen. In vielen EU-Ländern werden sie – da sie ohnehin nicht bleiben wollen – weitergeschickt. In Deutschland aber landen sie häufig in Abschiebehaft.

Zuständig dafür ist die Bundespolizei. „Diese Praxis nimmt zu, das kritisieren wir heftig“, sagte Pastor Hans-Joachim Haeger, Vorsitzender des Landesbeirats für Abschiebehaft, der gestern seinen Jahresbericht vorstellte. Das Verfahren sei unsinnig, weil es nicht nur die Menschenrechte einschränke, sondern auch unnötige Kosten verursache, sagte der Landesflüchtlingsbeauftragte Wulf Jöhnk. „Menschen werden ohne jeden Sinn schikaniert.“

Denn aus Europa ausgewiesen werden nur die wenigsten, die in Abschiebehaft sitzen: Von den 277 Männern, die 2007 im zentralen Abschiebegefängnis in Rendsburg landeten – Frauen sind in Eisenhüttenstadt untergebracht – kehrten 70 in ihre Heimatländer zurück. 159 wurden in andere EU-Länder geschickt, 31 erhielten einen Bleibestatus und wurden entlassen, elf gingen in andere Hafteinrichtungen. Die Zahl der Inhaftierten sinkt von Jahr zu Jahr, wahrscheinlich, so die SPD-Abgeordnete und Beiratsmitglied Anna Schlosser-Keichel, weil die EU größer geworden sei und immer weniger Menschen Deutschland erreichen.

Anders als andere Beiratsmitglieder verteidigte Schlosser-Keichel die Politik in Schleswig-Holstein: „Wir handeln nicht rechtswidrig.“ Angesichts der geringen Zahlen der Flüchtlinge frage sie sich aber „als normaler Mensch“ schon: „Was soll der Stress?“

Der Landesflüchtlingsbeauftragte Jöhnk warf der Politik vor, besonders bei Jugendlichen, die ohne Familie reisen, regelmäßig gegen internationales Recht zu verstoßen. Denn bei diesen Flüchtlingen müsse zunächst der Jugendschutz, dann erst das Ausländerrecht gelten. Rechtswidrig sei unter anderem, dass sie ohne Anwalt abgeurteilt würden, sagte Jöhnk.

Unterdessen wurde gestern aus dem Menschenrechtsausschuss des Bundestages bekannt, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Schulbesuch illegal in Deutschland lebender Kinder erleichtern will. Schulleiter sollten von der so genannten Meldepflicht befreit werden. Schäuble wolle die Idee den zuständigen Kultusministern der Länder vortragen und auch die bevorstehende Innenministerkonferenz informieren.

Nach geltendem Recht sind Schulleiter verpflichtet, den Behörden zu melden, wenn an ihrer Schule ein Kind unterrichtet wird, das illegal in Deutschland lebt. Schäuble kommt mit seiner Initiative einer langjährigen Forderung von Kirchen und Flüchtlingsorganisationen nach. ESTHER GEISSLINGER