berliner szenen Plätschern und Tuscheln

Beim Zahnarzt (2)

Mein Zahnarzt ist gleichzeitig Hypnotiseur. Er besucht Kurse zum Thema: „Zahnärztliche Hypnose, Phobietechniken: Der ängstliche Patient. Milton H. Erickson in der Zahnheilkunde.“ Wenn man sich im Behandlungsstuhl niederlässt, bekommt man gleich einen Kopfhörer aufgesetzt, aus dem sanfte, plätschernde Musik tönt, untermalt von Delphin-Klängen. Das wäre schön und gut, dröhnte der Bohrer nicht so laut, dass er die Trancemusik mühelos übertönt.

Ich bin also während der Behandlung damit beschäftigt, auf die Musik zu hören und das Bohren zu überhören. Dabei falle ich zwar nicht in Trance, aber ich schule meine Konzentration. Während des Bohrens unterhalten sich der Zahnarzt und die Helferin leise. Sie vermuten, dass ich dank Surren, Musik und Delphinen nichts höre oder schon völlig hypnotisiert bin und in irgendwelchen Sphären schwebe. Aber ich höre sie. Ich erfahre, welcher Patient besonders nervig und welche Helferin einfach zu faul, zu langsam und völlig überbezahlt ist. Das brennt sich dank der unterstützenden Musik und weil ich mittlerweile doch in den Alpha-Zustand geraten bin, tief ins Unterbewusstsein ein.

Bei Operationen unter Vollnarkose sollen die Ärzte noch mehr vom Leder ziehen, habe ich mir sagen lassen. Da reden sie sogar über den Patienten selbst. Das wagen sie hier nicht. Offenbar trauen sie der Hypnosetechnik doch nicht so ganz. Als ich nach der Behandlung den Stuhl verlasse und in den Flur hinaustrete, begegnet mir eine Helferin. Ich weiß instinktiv, dass es sich bei ihr um die faule Langsame handelt, mein Unterbewusstsein hat sie erkannt. Gleich gehe ich ins Wartezimmer, halte Ausschau nach dem nervigen Patienten und verpetze meinen Zahnarzt. SANDRA NIERMEYER