Allein mit dem Handy

Das Opfer eines Stalkers sagt aus: Ein Bestrafungsantrag scheiterte, weil sie die Adresse des Täters nicht kannte

Für Physiotherapeutin Janine M. waren es zunächst nur „Zufälle“, dass sie ihrem Ex-Patienten Peter R. dauernd in der Nähe der Praxis begegnete. Das war 2003. Doch im Laufe der Jahre werden die Avancen heftiger. Mit den Worten: „Du kannst mich nicht ständig ignorieren“ habe sie der Stalker aufgesucht, schildert die zierliche 29-Jährige am Freitag dem Landgericht ihr Martyrium, das am 9. Oktober vorigen Jahres beinahe mit dem Tod durch sieben Messerstiche geendet hätte.

Der 48-jährige Peter R. steht nun wegen Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Die beiden hatten sich bei R.s Behandlung in der Praxis in Stellingen kennengelernt. Nach Ende der Therapie 2003 habe R. versucht, mit Pralinen bei M. anzubändeln: „Rücken okay – Herz kaputt“. Danach habe er oft vor dem Praxisfenster gestanden oder ihr auf dem Weg zum Bahnhof aufgelauert.

2005 zersticht er die Reifen ihres Autos. „Er wurde fordernder und war erstmals bei mir zu Hause, das war bedrohlich.“ Janine M. erstattet Anzeige, die Polizei ermittelt R. als Reifenstecher. „Erst war es lästig und nervig, jetzt fühlte ich mich bedroht.“ Wenige Monate später drohte er ihr erneut mit „Ärger“.

Janine M. erwirkt im März 2005 nach dem Gewaltschutzgesetz eine Einstweilige Verfügung, dass R. sich ihr nicht nähern darf. „Danach war über ein Jahr Ruhe, das hat schon was gebracht“, sagt M. „Ich hab‘ gedacht, dass es vorbei sei.“ Aber die Attacken kommen wieder, und das schlimmer als zuvor: Im Mai 2007 beschimpft R. Janine M. auf der Straße als „Edelhure“. Er hätte Beweisfotos, dass sie Prostituierte sei.

Wenig später habe R. gedroht, „dass er mich umbringen will“. Als sie auf Anraten von Opferberatern einen Bestrafungsantrag auf Zwangshaft beim Amtsgericht stellt, scheitert dieser mangels gültiger Anschrift. „Ich sollte seine neue Adresse ermitteln“, berichtet M. Diese bekommt sie von der Polizei, dennoch kommt es zur Eskalation. R. hat sich immer mehr in sexuelle Phantasien hineingesteigert, wonach Janine M. auf ältere Männern stünde.

Am 8. Oktober attackiert er sie vor der Praxis. „Ich hab die Polizei angerufen, da ist er weggegangen.“ Einen Tag später wiederholt sich der Vorgang. Als Janine M. R. diesmal mit der Polizei am Handy verfolgt, sticht er mit einem Brotmesser siebenmal zu, so dass die Klinge zerbricht. Sie schwebt in Lebensgefahr. „An den Tag habe ich keine Erinnerungen mehr“, sagt Janine M. dem Gericht. Sie verbrachte zwei Wochen im Koma und kämpft noch körperlich und seelisch mit den Folgen.

Die Polizei hat das Handy-Gespräch aufgezeichnet. Ein Urteil gegen den geständigen Stalker wird für kommenden Mittwoch erwartet. KAI VON APPEN