ortstermin: Das Off-Theater kommt zum Seniorentreff
: Hier drängelt sich niemand in den Vordergrund

Im rosafarbenen Programm des AWO-Seniorentreffs heißt es: „Manuel Muerte präsentiert: ,Altersunruhe‘. Eine bunte Unterhaltungsshow mit Musik, Zauberei und Überraschungen“. Deswegen sitzen jetzt geschätzte hundert Damen und ein paar versprengte Herren an Kaffeetischen und sehen zu, wie Manuel Muerte die kleine Bühne besteigt. Manuel Muerte hat wenig, zurückgekämmtes Haar und trägt einen Nadelstreifenanzug. Im gelben Programm von Kampnagel, dem großen Hamburger Off-Theater, stand ein bisschen mehr über die Show und es klang ein wenig anders, weil es den Off-Theater-Leuten und vielleicht auch der Kulturbehörde gefallen sollte: „Manuel Muertes Show bietet auf unterhaltsame Weise alternative Identifikationsmodelle für SeniorInnen nach dem Vorbild der „Grandarchis“-Szene in England oder dem „young@heart-chorus“ aus den USA.“

Die Dame links am Tisch trägt Bluse und eine Kette dazu, wie die meisten Damen hier, sie hat gestern die neue Sendung von Thomas Gottschalk gesehen und sie ist nicht zufrieden damit. „Er sitzt nur da und hat keine Aufgabe mehr“, sagt sie. „Unverschämtheit.“ Auch anderes ist unverschämt: Nämlich die Art, wie Dieter Bohlen mit den jungen Leuten umgeht. „Keine Erziehung“, sagt eine andere Dame. „Aber die jungen Leute wollen alle in den Vordergrund, als jungem Mensch können sie dir etwas vorgaukeln.“

Aber jetzt übt Manuel Muerte den Eingangsbeifall und die Gäste fallen willig ein und erst später wird sich zeigen, dass sie, anders als die jungen Leute, nicht den Wunsch haben, sich in den Vordergrund zu drängeln, so wenig, dass Herr Muerte, der über viel Charme verfügt, einige Zeit aufwenden muss, um Mitspieler zu finden. „Ich bin Manuel Muerte und Sie sind Gast einer fünfstündigen Zaubershow, nein, keine Angst, das stimmt nicht“, hat er zu Beginn gesagt und, ehrlich gesagt, ist es nicht recht zu verstehen, warum nur die Dame in der mittleren Reihe ganz vorne richtig lacht und der Rest gern in einem Zustand der Mürre verweilt.

Sicher, die eingestreuten Aphorismen – „Es zählt nicht, wie alt du bist, sondern wie du alt bist“ – sind nicht unbedingt Perlen und der riesige Pflegeroboter mit den blinkenden Lichtern, der in einen Pflegewettstreit mit der Sängerin tritt, ist leider nur so mittelaufregend. Aber es ist sehr komisch, wenn Ute und Eckard, die beim Quiz mitmachen müssen, einen Flummi ums Anfangen werfen sollen und Eckard einen sonderbaren kleinen Stein bekommt, der natürlich nicht springt. Muerte tut, was er kann, er lässt Flaschen verschwinden und raucht eine Zigarette in seinem Ohr, aber sein Publikum bleibt reserviert. Sie haben auch keine Lust, ihm einen Zehn-Euro-Schein zu geben, damit er damit zaubern kann. Nicht, dass sie das von den Sechsjährigen im Märchenzelt oder den 40-Jährigen im Theater großartig unterscheiden würde, aber es ist trübselig zu sehen, dass der Generationenvertrag in einem großen Ja zum „was-willst-du-mir“ zu bestehen scheint.

Manuel Muerte hat noch ein paar Filme und Bilder aus der Kategorie „alternative Identifikationsmodelle“ dabei, nicht, dass kein Bedarf bestünde, aber so heiter der weißhaarige Popchor und so energetisch die Umweltaktivistin sein mögen, kommt das Ganze doch recht pädagogisch-schwergängig daher.

Zum Schluss soll es einen Tanz geben, eine freundliche Frau will einen Marschwalzer anleiern, der Pflegeroboter macht mit, Manuel Muerte macht mit und ein paar Gutwillige. Es reicht nur für eine Runde, dann spricht ein alter Herr mit Baseballkappe das Schlusswort: „Sie haben bewiesen, dass unsere Jugend Phantasie hat. Applaus an unsere Freunde von Kampnagel“ – und dann müssen alle nach Hause. FRIEDERIKE GRÄFF