Ökoinstitut empfiehlt Kohlekraft

Der Bau eines neuen Kohlekraftwerks in Kiel wird verschoben. Wegen der hohen Brennstoffpreise sei keine andere Variante wirtschaftlich. Experte: Kraftwerksprojekte derzeit nicht lohnend

VON GERNOT KNÖDLER

Der Bau eines neuen Kohlekraftwerks in Kiel wird um drei Jahre verschoben. Damit folgen die Stadtwerke einer Empfehlung des Freiburger Ökoinstituts und der Firma Enerko. Die Gutachter hatten im Auftrag der Stadtwerke Kraftwerksvarianten verglichen, mit denen das betagte Kieler Steinkohlekraftwerk ersetzt werden könnte. Im Ergebnis wäre zurzeit nur ein großes Kohleheizkraftwerk mit 800 Megawatt Leistung wirtschaftlich – allerdings auch ökologisch am schädlichsten. Weil aber unsicher ist, wie sich die Randbedingungen des Kraftwerksmarkts verändern und insbesondere damit zu rechnen sei, dass Kohlekraftwerke mit einer CO2-Abscheidung ausgerüstet werden müssen, empfehlen die Gutachter, mit dem Neubau zu warten.

Die Kieler Entscheidung bereichert den Streit um die geplanten Kohlekraftwerke in Norddeutschland um ein neues Modell. In Hamburg bildet das Gezerre um ein von Vattenfall geplantes Kohlekraftwerk einen Knackpunkt der Koalitionsverhandlungen zwischen den Grünen (GAL) und der CDU. Der Bremer Versorger SWB verzichtete vergangenen Sommer ganz auf den geplanten Neubau eines 900-Megawatt-Kohlekraftwerks. Die SWB war zu dem Schluss gekommen, ein neues Kraftwerk würde sich angesichts der hohen Baupreise nicht rentieren.

„Das Problem ist: Im Moment lohnt sich kein Kraftwerksprojekt“, sagt Felix Matthes, einer der Gutachter des Ökö-Instituts. Allein während der Arbeit an der Vergleichsstudie, zwischen September und Januar, seien die Kraftwerkspreise um 30 Prozent gestiegen. Grund ist die weltweit starke Nachfrage nach den nötigen Rohstoffen aber auch nach ganzen Komponenten, etwa Turbinen. Dass das Kieler Kraftwerk trotzdem rentabel zu betreiben wäre, liegt nach Matthes Einschätzung daran, dass es am seeschifftiefen Wasser liegt und daher sehr billig mit Brennstoff versorgt werden könnte.

An der Kieler Förde steht heute ein Steinkohlekraftwerk mit 354 Megawatt Leistung, das zu jeweils der Hälfte den Stadtwerken und der Firma Eon gehört. Das Kraftwerk, das viele Haushalte auch mit Fernwärme versorgt, wird bald 40 Jahre alt. Weil ein neues Kohlekraftwerk aus Klimaschutzgründen umstritten ist, sollten die Gutachter Alternativen untersuchen. Sie verglichen Steinkohlekraftwerke mit 800 und 360 Megawatt, ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk mit 400 Megawatt, eine Gas- und Steinkohle-Kombination mit 760, ein kombiniertes Gas-, Kohle- und Biomassekraftwerk mit 350 Megawatt und zehn Megawatt Kraft-Wärme-Koppelung, sowie eine Variante mit dezentralen Heizkraftwerken.

Die Gutachter gingen von stark steigenden Erdgaspreisen und ebenfalls steigenden CO2-Preisen aus. 2030 wäre Erdgas demnach mehr als dreimal so teuer wie Kohle. Der CO2-Preis stiege von 22,50 auf 28,50 Euro je Tonne. Unter solchen Umständen seien die stark auf Gas bauenden Varianten völlig unwirtschaftlich und die Mischvarianten nicht genügend rentierlich.

Die Gutachter empfehlen, die Entscheidung aufzuschieben, weil unklar sei, wie schnell etwa welche Techniken zur CO2-Emissionsvermeidung entwickelt werden, ob es sich bei den steigenden Öl- und Gaspreisen oder im Kraftwerksmarkt um eine Spekulationsblase handele, oder wie sich die Emissionspreise entwickelten.