Senat verspricht Autobahn ohne Autos

Die geplante Verlängerung der Stadtautobahn von Neukölln nach Treptow soll die Berliner animieren, weniger Auto zu fahren. Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer (SPD) erklärt, wie das geht. Umweltschützer glauben ihr nicht

Widersprüche auszuhalten, gehört zum Berufsalltag von Politikern. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer produziert sogar neue. Die SPD-Politikerin plant neue Autobahnen und möchte gleichzeitig den Autoverkehr vermindern.

Der Senat halte an der geplanten Verlängerung der A100 von Neukölln bis zum Treptower Park fest, bekräftigte Junge-Reyer gestern, als sie die Grundsätze der Berliner Verkehrspolitik für die kommenden Jahre vorstellte. Das Planfeststellungsverfahren soll Mitte des Jahres beginnen, damit ab 2009 gebaut werden kann. Gleichzeitig ermunterte Junge-Reyer die Berliner dazu, das Auto häufiger stehen zu lassen. Zwei Drittel ihrer Wege legen diese zurzeit zu Fuß, per Rad oder mittels Nahverkehr zurück – mehr als die Londoner (60 Prozent) oder die Wiener (45 Prozent). „Unser Ziel ist es, diesen Anteil weiter zu steigern.“ Wie dieses Ziel zum Autobahnneubau passe? „Es wird nicht attraktiv, Auto zu fahren, es wird nur attraktiv, auf der Autobahn zu fahren“, erklärte Junge-Reyer sybillinisch.

Anwohner und der BUND hatten den rot-roten Senat am Donnerstag aufgefordert, die Autobahnpläne fahren zu lassen, da das Projekt teuer und umweltschädlich sei (taz berichtete). Doppelt so viele Autos würden dann von Treptow über die Elsenbrücke Richtung Friedrichshain rollen. Junge-Reyer bezeichnete die Zahlen der Naturschutzorganisation als komplett falsch. Zu erwarten sei ein moderater Anstieg von derzeit 68.000 Fahrzeugen pro Tag auf 85.000.

Die aktuelle Prognose entkräfte jedoch nicht die Argumente der Kritiker, erklärt Verkehrsexperte Martin Schlegel vom BUND: „Die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide werden in jedem Fall deutlich überschritten.“ Der BUND will den Ausbau politisch und notfalls gerichtlich verhindern. „Die A100 leitet den Verkehr direkt in die City und ist außerdem eine Konkurrenz zum Nahverkehr.“ Das Gegenteil sei richtig, meint Junge-Reyer: „Die Innenstadt wird entlastet, wenn wir den Verkehr auf dem Ring bündeln.“

In einem Punkt sind sich Kritiker und Befürworter des Autobahnausbaus jedoch einig: Der Verkehr wird in Berlin bis 2025 demografisch bedingt abnehmen. Das habe jedoch keinen Einfluss auf die Autobahnausbaupläne, meinte Junge-Reyer. Denn das sei eine politische Entscheidung. ANNA LEHMANN