Volle Kraft für halbe Leistung

Koalitionsstreit um Kohlekraftwerk Moorburg: Vattenfall bietet angeblich Kompromiss an: Das umstrittene Kraftwerk soll mit halber Kraft laufen, bis Schadstoffausstoß verringert werden kann

VON MARCO CARINI

Ist der Weg frei für die schwarz-grüne Koalition in Hamburg? Im Streit um den Bau des umstrittenen Kohlekraftwerks Moorburg soll der Energiekonzern Vattenfall einen Kompromiss angeboten haben. Vattenfall-Vorstand Hans-Jürgen Cramer habe in einem vertraulichen Gespräch mit Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vorgeschlagen, das 1.640-Megawatt-Kraftwerk könne zunächst stark gedrosselt ans Netz gehen, berichtet der Focus in seiner heutigen Ausgabe. Die freigesetzte Abgas-Menge solle der eines vergleichbaren Gaskraftwerks entsprechen.

Erst 2018, wenn die derzeit in der Entwicklung befindliche Technologie zum Herausfiltern des Treibhausgases CO2 bereitstehe, solle die Anlage ausgelastet werden. Weder von Beust noch Vattenfall wollten am Sonntag zu dem angeblichen Kompromiss Stellung nehmen. Senatssprecher Otto bestätigte immerhin, dass es eine vertrauliche Unterredung zwischen dem Bürgermeister und dem Vattenfall-Chef gegeben habe.

Bevor das mögliche Einlenken von Vattenfall bekannt wurde, wurde nach taz-Informationen zwischen den Koalitionären in spe über einen Plan B verhandelt, mit dem CDU und GAL das Problem Moorburg zu lösen und die Koalition zu retten hoffen. Danach sollte die Umweltbehörde, die zukünftig dem Vernehmen nach von Anja Hajduk (GAL) geleitet werden soll, die wasserrechtliche Genehmigung für das Kraftwerk versagen und so den Bau blockieren und mögliche Regressansprüche von Vattenfall aushebeln. Die Konsequenz dieses Vorgehens wäre aber nach Einschätzung von Experten ein jahrelanger Rechtsstreit mit Vattenfall gewesen, dessen Ausgang ungewiss wäre.

Das geplante Steinkohlekraftwerk ist die größte Hürde bei den schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen, die Mitte dieser Woche abgeschlossen werden sollen. Im Streit um Moorburg hatte sich am Freitag der Ton zwischen Senat und Vattenfall dramatisch verschärft. Die Umweltbehörde lehnte ein von dem Energie-Konzern gestelltes Ultimatum ab.

Vattenfall hatte dem Senat eine letzte Frist bis Freitag für die Genehmigung gesetzt und angekündigt, bereits am heutigen Montag eine Untätigkeitsklage gegen Hamburg einzureichen um anschließend den Neubau juristisch zu erzwingen oder Schadensersatzansprüche in einer Höhe bis zu 1,3 Milliarden Euro geltend zu machen, sollte das Projekt scheitern. Der Chef von Vattenfall Europe, Tuomo Hatakka, betonte, das Unternehmen habe eine „starke Rechtsposition“ und werde diese gegebenenfalls verteidigen. Der Senat wolle das Kohlekraftwerk nur aus parteipolitischem Kalkül scheitern lassen.

Die Behörde hingegen hatte erklärt, sie habe dem Konzern bereits mitgeteilt, dass die Frist für die emissionsschutz- und wasserschutzrechtlichen Genehmigungen bis zum 10. Juni verlängert werde. Dies sei ein „normaler Vorgang“ und stehe in keinem Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen.

Noch am Donnerstag hatte Cramer betont, dass Vattenfall weiter auf einem Bau des Kraftwerks in der geplanten Größe von 1.640 Megawatt bestehe. Eine Kompromisslösung, die eine Halbierung der Kraftwerkskapazitäten oder eine Umstellung auf den Brennstoff Gas vorsehe, lehne er weiterhin ab.

Die Fraktionsvorsitzende der GAL, Christa Goetsch, betonte währenddessen am Sonntag auf einer Matinee der Wochenzeitung Zeit in den Hamburger Kammerspielen, das Kraftwerk sei „ überflüssig“. Unabhängige Gutachter hätten betätigt, dass es aufgrund zahlreicher geplanter Kraftwerksneubauten in Zukunft einen Energieüberschuss geben werde.