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: Nicht Fußball gucken ist auch keine Lösung

Spieltag der existenziellen Fragen: Warum sich noch für Fußball interessieren? Warum nicht lieber Standardtanz? Oder Curling?

Nach dieser ergebnismäßig frustrierenden Woche habe ich mir mal wieder überlegt, mich einfach nicht mehr für Fußball zu interessieren. Nick Hornby schrieb schon, dass Fußballfans 80 von 90 Minuten lang mit verhärmt nach unten gezogenen Mundwinkeln im Stadion stehen, und ich erinnere mich noch gut an einen alten Bekannten, Schalke-Fan, der mit verschränkten Armen und finsterem Augenbrauen-Encounter emotionslos die Spiele zu überstehen pflegte. Nur wenn die Knappen verloren, dann weinte er. Will ich so was? Wieso nicht lieber Standardtanz? Bei dem überhaupt keine nach unten gezogenen Mundwinkel vorkommen? Oder Curling?

Habe am 28. Spieltag dann trotzdem auch bei HSV gegen Duisburg, meinem kleinen Lieblingsclub vom Ende der Tabelle, reingeguckt, ein bisschen wegen gewohnheitsmäßigem Interessen an Huub Stevens, ein bisschen wegen Problemen mit dem Curlingbesen, der mich noch immer zu sehr an das Swiffer-Reinigungsystem und meine verdreckte Küche erinnern. Wobei HSV gegen MSV nicht unbedingt das schönste Spiel des Tages war. Obwohl ich solche Spieler wie MSV-Kapitän Ivica Grlic prinzipiell gut finde, weil sie nicht vom Thema ablenken. Wäre Grlic, der das einzige Tor der lahmen Begegnung schoss, beim Basketball, man würde ihn den „mailman“ nennen, so wie weiland Karl Malone, den zuverlässigen Power Forward der Utah Jazz.

Apropos Abschweifung: Andere Spieler nerven ja dermaßen mit ihren vielen fußballfernen Infos. Richtiggehend schlaflose Nächte bereitet mir das Wissen, dass auch Christoph Metzelder bei einer Studentenverbindung war, und ich bin nur froh, dass er meistens in einer Mannschaft spielte, die mir ohnehin am Derriere vorbeigeht. Dass sich das halbe ZDF mit dickem Theatermakeup die Schmiss-Narben überschminkt, okay, es gibt überraschendere Neuigkeiten, aber ein Sport-Jungspund wie Metzelder? Das irritiert doch.

Was wird denn als Nächstes aufgedeckt: dass Hertha-Spieler Fabian Lustenberger, der sauberste, pünktlichste, harmloseste aller Bergvolk-Emigranten, in seiner Freizeit als Scharfrichter in China arbeitet? Und dröge Antworten wie „Hart arbeiten, immer das Beste geben und an sich glauben“ auf die Chat-Frage eines ehemaligen Eidgenossen „Wie besch zu dim Erfolg cho?“ reine Vorsichtsmaßnahmen sind, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen? Ich rege mich schon wieder auf. Nicht Fußball gucken ist auch keine Lösung.

Wohin nur mit den ganzen Aggressionen? Neulich habe ich die leeren Flaschen vom Wochenende schon mit so viel Schmackes in den Glasmüllcontainer gepfeffert, dass der Penner, der daneben mit seiner Pfandflaschenangel wartetet, angemessen strafend rüberschielte. Ich habe mich sehr geschämt. JENNI ZYLKA