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: Um Kaisers Onlinebart

Seit dem Wechsel in der Chefredaktion ist der „Spiegel“ wieder verstärkt aufklärerisch unterwegs. Nur wenn es um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht, wird das Magazin merkwürdig einseitig.

Es macht immer wieder Spaß, wenn sich das Leitmedium Spiegel um die Leitmedien ARD und ZDF kümmert. Dann bleibt kein Stein auf dem anderen, und das Ganze liest sich ungefähr so wie die Brandbriefe der Verlegeverbände, nur sprachlich schöner.

Auf drei Seiten widmet sich die aktuelle Ausgabe dem schon länger schwelenden Konflikt zwischen den Öffentlich-Rechtlichen, ihren Internet-Ambitionen und den Ängsten der gedruckten Presse mit ihren Onlineangeboten. In diesem Bereich ist die Spiegel-Gruppe mit Spiegel Online unangefochtener Marktführer. Und will das auch bleiben.

Im Text selbst versteckt man sich aber lieber hinter den „deutschen Zeitungsverlegern“, die „voller Zukunftszweifel“ sind angesichts „des schleichenden Bedeutungsverlusts der gedruckten Tageszeitung“. Auch für diese Armen „gibt es auf Dauer keine Alternative, als ihr Glück im Internet zu versuchen“.

Doch dort, „auf der Informationsplattform der Zukunft“, sollen ARD und ZDF „ihre finanzielle Übermacht ausspielen dürfen“? Klarer Fall für den Spiegel: „Schon mit einem Bruchteil ihrer Etats könnten ARD und ZDF rasch dominant werden und die wachsende journalistische Vielfalt allmählich ersticken.“

Dass die Öffentlich-Rechtlichen dabei vor einer ähnlichen Herausforderung stehen wie die Verlage – dass nämlich auch für sie das Internet schon bald der wichtigste Verbreitungsweg wird und hier notwendigerweise wie in keinem bisherigen Medienangebot Text, Ton, Bild und Video zusammenschnurren –, fällt dabei allerdings hinten runter.

Dafür hat der Spiegel eine Botschaft durchzupauken: „Im Grunde“, schreibt er, wollten ARD und ZDF hier treiben, „was ihnen auf Zeitungspapier bisher verwehrt ist“.

Und für den Fall, dass das jemand immer noch nicht begriffen haben könnte, steht das dann noch viermal da: „Sie wollen Textjournalismus machen. Sie wollen Presse sein, elektronische Presse. Mit Gebührengeld bezahlte öffentlich-rechtliche Presse im Internet“. Ist das endlich allen klar?

Gestritten wird hier allerdings um Kaisers Bart: Ein vernünftiges, nutzerfreundliches Onlineangebot wird nun einmal relativ ähnlich aussehen. Eben Zeitungsfernsehenradiolexikon und noch viel mehr sein. Und wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine gut 7 Milliarden Gebühreneuro pro Jahr vor allem dafür bekommt, Information und Bildung zu liefern, muss man ihm nun entweder das Internet öffnen – oder kann ihn gleich abschaffen. STG